Die Titelverteidigung von WBC-Weltmeister Tyson Fury (32-0-1, 23 K.o.) gegen Interim-Champ Dillian Whyte (28-3, 19 K.o.) war schon im Vorfeld ein Spektakel: Eine Rekordsumme bei der Versteigerung, ein ausverkauftes Wembley Stadium mit 94.000 Zuschauern, Klagedrohungen gegenüber Whyte, weil der Promoverpflichtungen nicht nachkam (BOXSPORT berichtete). Doch auch der eigentliche Kampf lieferte den erhofften Kracher.
Whyte startete als Southpaw, obwohl er eigentlich Normalausleger ist, um den normalerweise als Switcher bekannten Fury zu verwirren und verfolgte den Plan, zu dem ihm alle Experten geraten hatten: Den 2,06 Meter großen Titelverteidiger am Körper treffen. Das Problem: Fury, der einen Reichenweitenvorteil von fast Zentimetern hatte, ließ den „Body Snatcher“ selten in die gefährliche Distanz kommen. Mancher wuchtige Schlag Whytes zischte ins Leere, andere Attacken neutralisierte der „Gypsy King“ durch Klammern. Hin und wieder sah man gute Aktionen von Whyte, außerdem starke Meidbewegungen, doch wirklich punkten konnte er nicht. In der vierten Runde wurde es zwischenzeitlich unschön, als sich die Schwergewichtler trotz „Break“-Kommando von Ringrichter Mark Lyson weiter beharkten. Der Offizielle musste beide ermahnen („Du bist Profiboxer, also sei auch professionell“ zu Whyte, „Du bist Weltmeister, verhalte dich auch so“ zu Fury) und mit Punktabzug oder Disqualifikation drohen. Die Worte zeigten Wirkungen, obwohl auch in der Folge nicht jede Aktion sauber blieb. Ab der fünften Runde konnte Fury den Herausforderer immer wieder mit Körpertreffern ärgern. Kurz vor Ende der sechsten die Entscheidung: Bei einem Schlagabtausch im Infight kam Fury mit einem Uppercut durch und fällte Whyte wie einen Baum. Der kam zwar wieder hoch, war aber dermaßen wackelig auf den Beinen, dass Lyson abbrach. Whyte protestierte zwar, sah aber nicht so aus, als ob er noch in der Form sei weiterzukämpfen.
„Dillian Whyte ist ein großartiger Boxer. Er wird irgendwann Weltmeister sein. Aber heute Abend ist er auf einen Großen des Sports getroffen“, sagte der Sieger bei der Pressekonferenz nach dem Kampf. Dort bekräftige er seinen Entschluss, sich nach diesem Kampf zur Ruhe setzen zu wollen. Allerdings bleibt die Frage, ob der WBC-Champ nicht doch für den angedachten Undisputed-Fight Ende dieses oder Anfang nächstes Jahres gegen den Sieger von Joshua vs. Usyk II zurückkehrt.
Text: Nils Bothmann