Obwohl Oleksandr Usyk (19-0, 13 K.o.) bereits Undisputed Champ im Cruisergewicht war und ein hervorragender Techniker ist, war „The Cat“ als Underdog in den Kampf mit Dreifach-Weltmeister Anthony Joshua (24-2, 22 K.o.) gegangen. Joshua ist größer und schwerer, während Usyk bei seinem Sieg über Dereck Chisora letzten Oktober nicht vollkommen überzeugend gewirkt hatte. Jedoch setzte der britische Titelverteidiger nicht, wie von vielen Beobachtern erwartet, seine Körpervorteile früh ein und versuchte den Gegner zu überrollen, sondern im Gegenzug war es Usyk, der in den ersten Runden Druck machte.
Beide Boxer ließen sich selten auf den Infight ein, boxten einen taktischen Kampf in der Distanz, der etwas von einem Schachspiel hatte. Während Usyk die ersten drei Runden dominierte, stellte sich „AJ“ in den folgenden drei Runden auf die Taktik seines Gegners ein und behielt dort die Oberhand. Es war ein ausgeglichener Kampf, bei dem dann vor allem die letzten beiden Runden entscheidend waren, in denen Usyk noch einmal richtig aufdrehte und Joshua unter Druck setzte, ihn in den letzten Sekunden der Zwölften mit einer Schlagsalve in die Ringseile drückte. Dies spiegelte sich auch in den Wertungen wieder: Mit 115-113, 116-112 und 117-112 wurde der Ukrainer zum einstimmigen Punktsieger gekürt.
Joshua zog sich eine große Schwellung am rechten Auge zu, die auf einen Bruch der Augenhöhle hindeuten könnte. Doch wird der entthronte Weltmeister vermutlich zügig die Rematch-Klausel ziehen und versuchen seine Titel im Februar oder März nächsten Jahres zurückzugewinnen, wie sein Promoter Eddie Hearn verlauten ließ. Sollte Usyk auch den Rückkampf gewinnen, könnte er bald um die Undisputed-Krone in der Königsklasse kämpfen. Und er versprach im Interview nach dem Kampf: „Ihr habt noch nicht die Bestleistung von Oleksandr Usyk gesehen.“
Text: Nils Bothmann