Vor gut zwei Jahren war Zhilei Zhang nahezu abgeschrieben, nun steht der hart schlagende Chinese vor einer WM-Chance. Über den Contender, den lange niemand auf dem Zettel hatte.
Ein Mal kann man Glück haben, zwei Mal vielleicht auch, aber drei Mal, das muss Können sein. Als Zhilei Zhang am 20. August 2022 zwar auf den Punktzetteln gegen Filip Hrgovic verlor, sich aber besser als erwartet schlug und für manche sogar um den Sieg betrogen wurde, konnte man dies noch mit einer schlechten Nacht des Kroaten abtun. Als Zhang dem bis dato heiß gehandelten Contender Joe Joyce am 15. April den Titel als Interims-Champ der WBO abnahm, wurde der Kampf aufgrund einer Augenverletzung des Briten abgebrochen. Auf den Punktzetteln war die Angelegenheit bis dato recht ausgeglichen – ein Mal 48:47 für Joyce, zwei Mal 48:47 für Zhang. Doch im Rematch am 23. September dominierte der Chinese klar, als er Joyce kurz vor Ende der Dritten k.o. schlug.
Seitdem gilt „Big Bang“, den viele noch vor zwei Jahren weitestgehend abgeschrieben hatten, als möglicher WM-Contender – und das in einer Gewichtsklasse, in der chinesische Boxer normalerweise selten reüssieren. Zhangs größter voriger Erfolg datiert aus seiner Amateurzeit, als er vor heimischem Publikum bei den Sommerspielen in Peking 2008 die Silbermedaille im Superschwer gewann. Vier Jahre später in London sah die Sache anders aus, als er im Viertelfinale gegen den späteren Sieger Anthony Joshua verlor.
Erst mit 31 Jahren wurde der 1,98 Meter große Power-Puncher Profi, damals unter der Flagge des auf den chinesischen Markt spezialisierten Promoters Dynasty Boxing. Er bestritt die ersten 20 Kämpfe seiner Karriere meist in den USA, doch selten gegen hochklassige Opposition. 80 Prozent davon gewann er vorzeitig, zwölf dieser Kämpfe sogar in der ersten Runde, was ihm einen Vertrag bei Matchroom Boxing einbrachte. Bei seinem Debüt für den Stall von Star-Promoter Eddie Hearn am 30. November 2019 besiegte er Ex-EM-Contender Andriy Rudenko einstimmig nach Punkten.
Zwei Kämpfe später, am 27. Februar 2021, folgte jedoch Zhangs schwerste Stunde, als er Jerry Forrest, einen besseren Journeyman, zwar in Runde eins, zwei und drei auf die Bretter schickte, aber nur ein Unentschieden (Majority Decision) heraussprang. Ein Erstrunden-Sieg über Craig Lewis im nächsten Fight möbelte Zhangs Image kaum auf, hielt ihn aber in der Top 15 der IBF.
Der letzte, der übrig blieb
Eine Farce war die Rettung für Big Bang, als Anfang 2022 ein Gegner für Filip Hrgovic in einem Final Eliminator des Verbandes gesucht wurde. Die Vornplatzierten auf der Rangliste sagten reihenweise ab, weil sie verletzt waren, andere Kämpfe anstanden oder sie einfach keine Lust auf einen Fight mit dem kroatischen Contender hatten. Erst die Nr. 13 des Rankings sagte zu – Zhilei Zang. Es war seine Performance im Hrogvic-Fight, trotz offizieller Niederlage, die dem 40-Jährigen die Türen für den Joyce-Fight und nun zur möglichen WM-Chance öffnete.
„Ich denke, dass seine früheren Gegner den Ring verängstigt betraten“, resümierte der Chinese vor seinem Rematch gegen Joyce. „Aber ich bin Big Bang, ich knalle alles weg.“ Sein erster Sieg über den „Juggernaut“ brachte ihm einen Vertrag bei Joyce‘ Promoter Frank Warren ein, der seinen neuen Star nun an die großen Fights führen will.
Text: Nils Bothmann