Aktuell genießt der BC Greifswald einen ausgezeichneten Ruf als Talentschmiede. Vater des Erfolgs ist der langjährige Trainer Horst Femfert.
Wenn man die Runde nach dem Vater des Erfolgs des BC Greifswald fragt, dann ist ihre Meinung einhellig: „Horst Femfert.“ Der sitzt an der Stirnseite des Tischs der Alt-Herren-Runde. Eigentlich müsste er jetzt im Krankenhaus liegen. „Ich habe Schmerzen in den Beinen und bekomme deswegen Infusionen. Aber ich habe mir für heute einen halben Tag freigenommen“, wie er sagt. „Ausgebüxt ist er“, lästert Dr. Worm. Er muss es wissen, denn zum einen steckt eine Infusionskanüle in Femferts Handrücken, zum anderen hat er ihn ja mitgebracht.
Trainer aus der Not heraus
Femfert begann 1963, damals 20-jährig, beim ASV. „Wir waren 25 auf der Halle und trafen uns dreimal die Woche. Bis auf ein paar Junioren und Schüler waren wir ausschließlich Männer.“ Irgendwann zog ihr Trainer weg und Ersatz war nicht da. Für die Boxer war es die Katastrophe schlechthin, denn das hochprofessionell durchgestylte DDR-Sportsystem hatte Greifswald noch nicht erreicht. „Horst, du musst das Training übernehmen. Sonst bricht hier alles zusammen“, flehten die Boxer Femfert an. Zu denen, die an Femfert appellierten, gehörte auch ein gewisser Fritz Sdunek.
Femfert ließ sich erweichen und übernahm die vakante Trainerposition. Mit ihm begann eine der bemerkenswertesten Vereinsgeschichten im olympischen Boxsport. „Für den Nachwuchs eine Familie sein.“ Das war Femferts und damit Greifswalds Erfolgsgeheimnis. Seine Frau Renate übernahm die Rolle der gütigen Mutter. Sie hielt Kontakt mit den Eltern, den Lehrern und dem Amt, gab Nachhilfeunterricht und achtete auf das Äußere sowie die Umgangsformen ihrer „Kinder“. Auf sie geht auch das „Boxen für Frauen“ zurück. Für ihr Lebenswerk überreichte ihr Franz Beckenbauer 1995 den Georg-von-Opel-Preis für Leistungen, die ohne die Erwartung einer materiellen Gegenleistung oder zum Wohle der Gesellschaft erbracht wurden.
Solche Meriten gab es viele. So zeichnete die Commerzbank und der DOSB die Femferts und den BC Greifswald gleich mehrfach mit dem grünen Band aus, dass an ausgesuchte Vereine für ihre herausragende Nachwuchsarbeit verliehen wurde. Horst Femfert ist Meisters des Sports der DDR. Spiering betont, dass diese Ehrung nur an wirklich verdiente Sportler und Sportfunktionäre verliehen wurde.
Sduneks Anfänge beim BC Greifswald
Was viele nicht wissen, Fritz Sdunek begann seine Karriere im Trainerteam von Horst Femfert. Der erkannte, dass er viele Talente nicht erreichen konnte. Sie wohnten auf dem Land, in Groß Kiesow, Lüssow oder Bandelin. Zu weit weg, um an dem täglichen Training in Greifswald teilzunehmen. Er klügelte ein Stützpunktsystem aus, um den Boxsport in die Satelliten rund um Greifswald zu bringen. In Lüssow übernahm Sdunek das Training. Mehrfach im Monat fuhr er mit seinen Boxern zum Sparring. Sduneks Vater, von allen „Onkel Arno“ genannt, stellte mit einem IFA-H3A den Fahrdienst. Die Jungs sprangen hinten auf den Dreieinhalbtonner und „Onkel Arno“ schaukelte sie nach Greifswald.
Hartmut Schröder, Boxer und danach Trainerlehrling bei Femfert, übernahm später die Rolle des Chefcoachs in Spierings legendärer Wiking-Box-Promotion. Sein größter Wunsch war es, einen Boxer aus seiner Heimatstadt Greifswald an die Weltspitze zu führen. Spiering und er trauten Marko Link bzw. Daniel Schuldt diese Aufgabe zu. Auf Femferts Fürsprache gaben sie aber schließlich dem ebenfalls beim BCG boxenden Sebastian Sylvester die Chance. Der Rest ist Geschichte.
2021, nach 45 Jahren Trainertätigkeit und 58 Jahren Vereinszugehörigkeit, legte Femfert sein Amt in die Hände von Kay Max Schröder. Nun liegt es an Hartmut Schröders Sohn, BCGs Faustkämpfer auf Deutschen-, Europa-, und Weltmeisterschaften in die Medaillenränge zu führen, egal ob beim Profi- oder olympischen Boxen.
Text von Wolfgang Wycisk