Lütfiye Tutal vom Bergischen Box Club (BBC) Remscheid zählt zu den großen Hoffnungen des deutschen Amateurboxens. Die ambitionierte Leichtgewichtlerin im Porträt.
Eine bescheidene junge Frau mit großen Ambitionen – diesen Eindruck hinterlässt Lütfiye Tutal im Gespräch mit BOXSPORT. Doch dass die Boxerin vom BBC Remscheid im Ring alles andere als bescheiden ist, wird bei einem Blick auf ihren Kampfstil sofort klar. „Meine größte Stärke im Ring ist die Kraft“, sagt die Leichtgewichtlerin. Genau diese Kraft ist es auch, die die 20-Jährige in den vergangenen zwei Jahren zu zwei EM- und einer WM-Medaille geführt hat. Während Tutal 2022 sowohl bei der U19-EM als auch bei der U19-WM Silber holte, war es im vergangenen Jahr bei der U22-Europameisterschaft die Bronzemedaille. „Für mich war die U19-Silbermedaille wichtiger als der dritte Platz bei der U22-EM“, sagt Tutal und verrät auch, warum: „Ich wusste, dass ich besser boxen kann. Deshalb hat mich der dritte Platz etwas runtergezogen. Im Jahr davor hatte ich Silber geholt, also war es diesmal eben nur Bronze“.
Über vergangene Erfolge und Misserfolge macht sie sich nicht viele Gedanken. „Das kann man nicht mehr ändern. Viel wichtiger ist es zu wissen, dass ich für den großen Triumph eben noch mehr trainieren muss.“ Dieses Thema hatte ihr Trainer nach dem verlorenen Halbfinalkampf bei den U22-Europameisterschaften angesprochen. „Am Ende hat es nicht geklappt. Das heißt, wir müssen mehr trainieren“, erinnert sich Tutal an die Worte ihres Trainers Jusuf Visnjic.
Wo genau sie noch großes Verbesserungspotenzial hat und dementsprechend in Zukunft trainieren wird, weiß Tutal selbst: „Ausdauer. Das merke ich manchmal in der dritten Runde. Da lässt die Kraft ein bisschen nach, die Ausdauer, die Konzentration. Das hängt alles zusammen.“ Und da in diesem Jahr wieder eine U22-Europameisterschaft und eine U22-Weltmeisterschaft anstehen, ist Tutals nächstes Ziel bereits klar definiert. Bei der EM will sie ihr Vorjahresergebnis mit einer Gold- oder Silbermedaille toppen, bei der WM geht es darum, „am Ende eine Medaille in der Hand zu halten“.
Für Tutal sind Disziplin elementar
Lütfiye Tutal wird am 30. März 2004 in Wuppertal geboren. Zum Boxen kommt sie durch ihren Vater Ismail Tutal, früher aktiver Boxer und heute Trainer. „Meine Brüder waren jeden Tag zum Boxen in der Halle, irgendwann bin ich dann auch mitgegangen“, erzählt Lütfiye. Damals wie heute gefiel ihr die freundliche und zuvorkommende Art der Menschen.
Ein weiterer Grund, warum sie damals das Fußballspielen aufgegeben und mit dem Boxen begonnen hat, ist die volle Konzentration auf sich selbst. „Der Mannschaftssport hat mir nicht so viel Spaß gemacht, wie wenn man alleine trainiert und sich auf sich selbst konzentrieren kann.“ Dass eine Individualsportart wie Boxen ein hohes Maß an Disziplin erfordert, ist ihr bewusst. „Ohne Disziplin kommt man beim Boxen nicht weit.“ Damit kann sie gut umgehen. „Ich trainiere jeden Tag“ und alleine dafür benötige man Disziplin. Aber „ab und zu“ habe auch sie mal einen schlechten Tag und dann „keine Lust“.
Um ihr großes Ziel, einmal bei Olympia zu boxen, zu erreichen, braucht es aber genau diese Selbstkontrolle und Selbstreflexion. Fähigkeiten, die auch ihr großes Vorbild Muhammad Ali in Perfektion beherrschte. Und auf die Frage, gegen wen die Sportlerin in Zukunft gerne kämpfen würde, blieb Tutal bei der Familie Ali und nannte Muhammads Tochter Laila. Auch wenn ein Kampf gegen die 46-Jährige natürlich unrealistisch ist, in Sachen Kampfstil würden sich die beiden Boxerinnen im Ring nicht viel nehmen.
Text von Robin Josten