BOXSPORT sprach anlässlich des 75. Jubiläums des Bundes Deutscher Berufsboxer mit dessen Präsident Thomas Pütz über das Profiboxen in Deutschland, seine Faszination für den Boxsport, die Rolle der Medien und seine bisherige Amtszeit.
Herr Pütz, Sie stehen dem BDB inzwischen seit 14 Jahren als Präsident vor. Hätten Sie damals geglaubt, dass es so eine lange Ära werden würde?
Thomas Pütz: Nein, mit Sicherheit nicht. Das war damals weder geplant noch so abzusehen. Ich bin ja damals auf Bitten von Peter Kohl als so eine Art Lückenfüller eingesprungen und habe die Position im Prinzip, so war zumindest meine Zielsetzung, als Platzhalter gefüllt. Danach wollten wir jemanden suchen, der es dann machen sollte.
Im Hauptberuf führen Sie ein Sicherheitsunternehmen. Wie sind Sie damals zum Boxen gekommen?
Thomas Pütz: Ich habe selber geboxt und war immer nebenbei dem Boxsport sehr zugetan, immer interessiert. Dann kam es nachher so, dass ich für Universum die ganzen Sicherheitsgeschichten abgebildet habe und dadurch dann zum Profiboxen gekommen bin.
Was fasziniert Sie am Boxsport?
Thomas Pütz: Boxen ist einfach eine wahnsinnig tolle Sportart. Ich mache neben meinem Repräsentantenamt ja auch viel in der Jugendarbeit. Dort hat sich für mich ein Leitsatz herausgebildet: „Wer boxt, prügelt nicht.“ Boxen kann einem sehr, sehr viel geben. Es ist ein ganz, ganz toller Sport, wo sich zwei Menschen in einen Ring trauen, einfach alles hinter sich lassen und sich sportlich miteinander messen – ohne Aggression.
Und wie erleben Sie die Protagonisten der Szene?
Thomas Pütz: Boxer, Promoter, Präsidenten, Trainer – im Boxen ist alles genau wie im richtigen Leben. Auch eine Bandbreite von allen denkbaren Charakteren. Nehmen Sie nur die Promoter. Es sind Leute, die sich aus den unterschiedlichsten Beweggründen dem Boxen verpflichtet haben oder daran Spaß haben und das Boxen fördern. Es ist genau so eine Bandbreite, wie sie auch die normale Gesellschaft abbildet. Boxen ist im Prinzip so etwas wie eine große Familie.
Sie üben das Präsidentenamt ehrenamtlich aus. Wie viel Zeit opfern Sie dafür?
Thomas Pütz: Ich mache das jetzt seit 15 Jahren. Meine Tochter Karoline zum Beispiel, die inzwischen auch Punkt- und Ringrichterin ist, kennt das gar nicht anders. Das Ehrenamt ist sehr, sehr zeitintensiv. Vor allem muss man auch sehen, dass die ganzen Promoter oder auch die Boxer wollen, wenn es ein Problem gibt, dass man schnell reagiert und das am besten sofort löst. Und denen ist es auch egal, ob das am Samstag ist, am Sonntag… Im Prinzip ist es wirklich ein 24-Stunden-Job.
Was sind Ihre Aufgaben als Präsident?
Thomas Pütz: Meine Aufgabe ist es im Prinzip, das Ganze zu steuern, zu organisieren und von oben zu schauen, was die Boxer mit unserer Lizenz machen. Im Prinzip bin ich auch für das Verhalten der Akteure verantwortlich. Das gilt nicht nur für deutsche Boxer, sondern auch für Boxer aus dem Ausland, die hier bei Veranstaltungen boxen. Sie sind alle vom BDB lizenziert und ihre Lizenzen sind von mir unterschrieben. Und damit bin ich auch das Bindeglied zwischen den Promotern und den Weltverbänden.
Wie läuft die Koordination mit den Weltverbänden konkret?
Thomas Pütz: Ich mache sehr, sehr viel für die vier großen Weltverbände IBF, WBA, WBC und WBO. Da helfe ich sowohl den Promotern als auch den Boxern und auch unseren Offiziellen und den Punktrichtern, damit sie international sehr viel machen können. Dann geht es natürlich auch darum, den Sport zu schützen, wie zum Beispiel im Fall von Andreas Sidon, den wir wegen gesundheitlicher Probleme aus dem Sport genommen haben. Das zog einen langen Rechtsstreit nach sich. Auch der Kampf gegen Doping ist ein wichtiges Thema. Und natürlich gehört auch die Öffentlichkeitsarbeit des BDB zu meinen Aufgaben.
Wie ging es dem BDB, als sie den Posten damals übernommen haben?
Thomas Pütz: Er war im Prinzip insolvent. Als ich den BDB übernahm, gab es keine großen Promoter mehr. Der Fernsehvertrag von Peter Kohl war ausgelaufen. Es gab damals ursprünglich zwei große Promoter im BDB, Sauerland und Klaus-Peter Kohl. Sauerland hat den Verband verlassen, ist damals nach Österreich gegangen. Also war Klaus-Peter Kohl der dominierende, der größte Promoter, den der BDB hatte. Und damit auch der einzige Geldgeber. 80 Prozent der Kosten wurden damals von Kohl und Universum getragen. Und wie das immer so ist: Wer die Musik bezahlt, der sagt, was gespielt wird. Zu dem Zeitpunkt war es aber so, dass der ZDF-Vertrag auslief und damit das ganze Konstrukt auf sehr wackeligen Füßen stand. Hinzu kommt, dass der Verein nie kaufmännisch geführt wurde.
Wie muss man sich das vorstellen?
Thomas Pütz: Es gab Einnahmen und es gab Ausgaben, aber man hat mehr ausgegeben, als man eingenommen hat. Und wenn dann kein Geld mehr da war, dann ist man zu Klaus Peter Kohl gegangen und hat gesagt: Du, wir brauchen mal 20.000 – und dann hat Klaus Peter Kohl das wieder bezahlt, um den Verband am Leben zu erhalten. Ich habe mich damals, als ich übernommen habe, wenig damit beschäftigt. Als ich dann in die Bücher geschaut habe, ist mir klar geworden, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt. Entweder wir gehen zum Insolvenzverwalter und dann ist es mit dem Verband vorbei, oder wir kündigen alle Büros, wir kündigen alle Mitarbeiter. Der BDB hatte damals ein riesiges Büro in Hamburg, in einer der besten Lagen der Stadt. Das war damals schon nicht mehr bezahlbar.
Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen?
Thomas Pütz: Ich habe dann im Prinzip alles zusammengestrichen. Die Geschäftsstelle habe ich aufgelöst und sie nach Kaltenkirchen in meine Geschäftsräume geholt und den ganzen Laden komplett konsolidiert. Und jetzt stehen wir wirklich mit einem gesunden Verband da, der total selbstfinanziert ist. Wir sind nicht mehr abhängig von einem Promoter. Heute haben wir 15, 20 Promoter, die alle einen super Job machen, aber keiner hat eine beherrschende Stellung inne. Ich bin überaus glücklich, wie es jetzt ist. Wir haben tolle Offizielle, wir haben ein gutes Standing international, auch bei allen anderen Weltverbänden und bei der EBU. Wir haben funktionierende Dopingkontrollen, wir haben funktionierende Offizielle, wir haben ein funktionierendes Netzwerk, wir haben gute Promotoren, die auch nicht probieren, in irgendeiner Form Einfluss auf den Verband zu nehmen. Es ist wirklich ein tolles Miteinander und ich fühle mich zur Zeit sehr, sehr wohl mit der Situation des Verbandes.
Wie gehen Sie mit den Herausforderungen um, die sich ergeben, wenn es darum geht, die Anzahl der Kämpfe pro Veranstaltung zu beschränken?
Thomas Pütz: Das ist immer eine Herausforderung. Die Promoter sind natürlich immer daran interessiert, möglichst viele Kämpfe zu organisieren. Aber wir vom BDB müssen darauf achten, dass die Offiziellen nicht überfordert werden. Deshalb setzen wir Grenzen, um die Qualität und Fairness der Veranstaltungen zu gewährleisten. Wenn ich sage, es dürfen nur soundsoviele Kämpfe stattfinden, dann hat das einen Grund. Es geht darum, den Sport und die daran Beteiligten zu schützen und zu fördern.
Erzählen Sie uns mehr über Ihre Rolle bei internationalen Veranstaltungen.
Thomas Pütz: Nächstes Wochenende bin ich als Supervisor in Wembley bei einem Männerkampf. Dort schaue ich mir die Leistung der Punkt- und Ringrichter an. Das ist ein wichtiger Teil meines Jobs. Dann bin ich auch bei Kämpfen wie dem von Michael Eifert in Kanada dabei. Dort spreche ich vorher mit den Punkt- und Ringrichtern und natürlich mit unseren Boxern.
Welche Bedeutung hat es für die deutschen Boxer, dass Sie bei diesen Kämpfen anwesend sind?
Thomas Pütz: Meine Anwesenheit hat eine starke Signalwirkung. Es zeigt sowohl den Athleten als auch den Offiziellen, dass wir als Verband hinter unseren Sportlern stehen. Wenn deutsche Boxer im Ausland kämpfen, ist das immer eine besondere Herausforderung. Durch meine Erfahrung und Präsenz vor Ort kann ich unterstützen und dafür sorgen, dass Fairness und Regeln eingehalten werden. Es geht darum, unseren Athleten eine faire Chance zu geben und gleichzeitig den Respekt und die Integrität des deutschen Boxsports zu wahren.
Wären Sie kürzlich bei dem WM-Kampf von Nina Meinke in Costa Rica gewesen, hätten Sie da irgendwie intervenieren können?
Thomas Pütz: Das weiß ich nicht. Aber manchmal trifft man ja auf Situationen, in denen bestimmte Verstöße begangen werden und da kann ich dann eingreifen. Da geht es dann etwa um die Handschuhe, es geht darum, welches Material, welche Ausrüster überhaupt zulässig sind.
Aber das wird doch im Vorfeld des Kampfes geklärt.
Thomas Pütz: (lacht) Da habe ich alles schon mitgemacht. Kurz vor dem Kampf sollten plötzlich die Handschuhe gewechselt werden. Die neuen Modelle sind dann aber nicht erlaubt. Ursprünglich waren ganz andere Boxhandschuhe vereinbart. Ob man damit gewinnt oder nicht, darum geht es gar nicht. Das ist zum Teil psychologische Kriegsführung. Dann sollen die Boxer plötzlich mit einem anderen Modell von einem anderen Hersteller boxen. Solche Geschichten passieren leider immer wieder. Und das mit Nina Meinke ist, ich sage es mal ganz ehrlich, also das ist eine Nummer, die stinkt zum Himmel.
Welche Psycho-Tricks haben Sie sonst schon in Ihrer Tätigkeit als Supervisor erlebt?
Thomas Pütz: Es gibt sehr, sehr viele Mechanismen, die teilweise genutzt werden, um ausländische Gegner zu benachteiligen. Das fängt schon damit an, wer zuerst in den Ring steigt. Allein schon der Ring: Ich schaue mir den Ring vorher an, ob er überhaupt die Standardgröße hat. Oder die Kabine: Das habe ich alles schon erlebt. Zum Beispiel musste sich der deutsche Boxer bei einem Weltmeisterschaftskampf eine Kabine mit allen Vorkämpfern teilen. Das geht einfach nicht. Das ist nicht regelkonform und schon gar nicht fair gegenüber dem deutschen Boxer. Dann ist die Frage, wie viele Bandagen erlaubt sind. Da haben wir im BDB eigene Regeln, die zwar etwas anders sind, aber im Prinzip den EBU-Regeln entsprechen. In anderen Ländern sind die Regeln dann teilweise völlig anders. Da steckt der Teufel im Detail und da wird viel verdeckte Kriegsführung betrieben. Und wenn du die Regeln nicht kennst, stehst du als Sportler im Regen.
Kommen wir mal zurück nach Deutschland. Wie wichtig wäre ein deutscher Weltmeister für die Wahrnehmung des Boxsports im Land?
Thomas Pütz: Natürlich ist ein deutscher Weltmeister immer gut. Aber wir müssen doch die Persönlichkeiten besser vermarkten. Wir hatten deutsche Weltmeister. Aber die wurden nicht gut vermarktet. Es geht um die Medienpräsenz, die wichtig ist, um den Boxsport in Deutschland voranzubringen.
Können Sie das etwas näher erläutern?
Thomas Pütz: Nehmen wir zum Beispiel Axel Schulz. Der höchste Titel, den er hatte, war Deutscher Meister. Aber in der Wahrnehmung der Leute ist es so, als wäre er ein deutscher Weltmeister gewesen. Deshalb glaube ich, dass man einfach eine andere, bessere Vermarktung der Profis haben muss. Ich glaube auch, dass eine gute, tolle deutsche Meisterschaft mehr wert ist als eine drittklassige Weltmeisterschaft. Aber klar, wir brauchen natürlich Aushängeschilder. Da fällt vielleicht mal einer raus, dafür kommt ein anderer rein. So jemanden wie Michael Eifert zum Beispiel finde ich klasse. Aber der wird im Moment fast gar nicht vermarktet oder findet nicht statt. Genauso ein Agit Kabayel. Das ist ein toller Kämpfer, auch was er in Riad gezeigt hat – super! Ich habe vorher gedacht, der bekommt den Arsch voll, wie noch nie in seinem Leben. Und dann macht er da solch einen Riesenkampf. Trotzdem ist er medial nicht wirklich präsent.
Wie sehen Sie Ihre Rolle und die Rolle des BDB in der Vermarktung von Boxern?
Thomas Pütz: Ich bin kein Medienexperte. Aber ich glaube einfach, dass man mehr erreichen kann, wenn man die Öffentlichkeit etwas näher an sich heranlässt. Vielleicht einmal mit einer Homestory. Das könnte man zum Beispiel auch mit einem Simon Zachenhuber machen. Der war ja auch bei „Let‘s dance“, bei RTL. Letztendlich geht es um die Vermarktbarkeit eines Sportlers. Und ich glaube nicht, dass man das nur mit einem Weltmeister machen kann. Aus sportlicher Sicht ist das natürlich toll. Aber den normalen Zuschauer interessiert die Person, der Mensch. Beispiele gibt es im Boxsport genug: Axel Schulz, Henry Maske oder die Klitschkos.
Welche Herausforderungen bringt die aktuelle Medienlandschaft mit sich?
Thomas Pütz: Heute muss man über andere Möglichkeiten nachdenken, andere Wege gehen. Aber die Fernsehsender sollten doch wieder Boxen senden. Aber ich sehe das ja selbst zu Hause: Die nächste Generation, meine Kinder zum Beispiel, die schauen kaum noch fern. Da wird nur noch irgendwie gestreamt. Wobei ich glaube, dass die Fernsehsender ihr Heil immer noch in Liveübertragungen suchen können, um möglichst viele Leute mit der Übertragung großer Events vor den Fernseher zu bekommen.
Für das große Jubiläumsevent des BDB haben Sie Til Schweiger als Schirmherren gewinnen können. Wie ist das zustande gekommen?
Thomas Pütz: Til ist seit vielen Jahren einer meiner engsten Freunde. Er hat selbst als Amateur geboxt und wir haben uns eigentlich über das Boxen kennengelernt, durch unseren gemeinsamen Freund Ebby Thust. Til ist absolut boxbegeistert, schaut sich auch viele Kämpfe an und hat wirklich Ahnung vom Boxen. Als ich ihn fragte, ob er Schirmherr werden möchte, hat er sofort zugesagt.
Herr Pütz, bis wann sind Sie denn eigentlich als Präsident gewählt und denken Sie schon an die nächste, eine weitere Amtszeit?
Thomas Pütz: Ich bin im letzten Jahr für eine weitere Amtszeit von vier Jahren gewählt worden, das heißt, ich habe jetzt noch drei Jahre vor mir. Wie es danach weitergeht, muss man sehen. Ich werde, glaube ich, ein Jahr vorher entscheiden, ob ich für eine weitere Amtszeit kandidiere. Aber dann würde ich schon versuchen, parallel jemanden aufzubauen, der das eines Tages übernimmt. Aber wie schon vorher gesagt, es macht mir zurzeit immer noch großen Spaß.
Vielen Dank für das Gespräch
Interview: Andreas Ohlberger & Frank Schwantes