Agit Kabayel hat nur ein Ziel. Ein Sieg gegen den Kubaner Frank Sanchez am 18. Mai in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad. Es wäre der vorletzte Schritt auf dem Weg zu dem größten Triumph seines Lebens.
Wladimir Klitschko präparierte sich im Fünf-Sterne Wellness- und Luxushotel Stanglwirt für seine Kämpfe. Agit Kabayel ist wesentlich rustikaler unterwegs. Er bereitet sich für den vorerst wichtigsten Fight seines Lebens im UFD Gym in Düsseldorf an der wenig noblen Kölner Straße vor.
Kabayel trifft in Riad auf Frank Sanchez. Die beiden Schwergewichtler werden den Pflichtherausforderer für den Champ der World Boxing Council WBC ausboxen. Wer der Champ ist, wird ebenfalls in Riad entschieden, denn im Hauptkampf boxen Oleksandr Usyk und Tyson Fury um fünf WM-Titel, auch um den der WBC. Fury ist für seine Eskapaden bekannt und dafür, dass er wichtige Events schon mal sausen lässt. Würde das wieder passieren, dann hätte Kabayel Chancen nachzurücken. Doch der Bochumer glaubt nicht daran. „Mittlerweile ist so ein Druck aufgebaut, da kann keiner mehr weglaufen.“ Keinesfalls weglaufen, wird ein zweiter deutscher Boxer, der in der Wüstenmetropole antreten wird. Cruiser Michael Seitz will gegen den Neuseeländer David Nyika seinen dreizehnten Sieg in seinem dreizehnten Kampf einfahren.
Kabayel darf Sanchez „keine Zeit zum Nachdenken geben“
Es ist Dienstag, 10 Uhr. Agit Kabayel und Coach Sükrü Aksu sind die Ersten im UFD Gym. Der Bochumer hat Betriebstemperatur erreicht, denn sein schweißnasser Hoody, klebt an seinen Muskeln. Nach und nach finden sich die bestellten Sparringsgegner ein: „Big Jack“ Mulowayi, Universum-Boxer Jose Larduet, der mit seinem Coach Artur Grygorian aus Hamburg angereist ist, der Bronzemedaillengewinner der olympischen Spiele von Tokio, Frazer Clarke sowie sein Landsmann Solomon Dacres. Sie gehören zum Besten, was man zum Schwergewichtssparring einladen kann. Der Belgier Mulowayi und Universums Larduet kämpften bereits gegen Kabayels Gegner Frank Sanchez. Larduet sogar dreimal. Drei Kämpfe, drei Siege, einen davon durch Knock-out. Das war zu ihren Amateurzeiten auf kubanischen Meisterschaften. Mulowayi verlor gegen Sanchez, doch seine Erfahrungen sind zeitnah und damit wertvoll.
„Agit muss vermeiden, dass Sanchez Zeit zum Nachdenken bekommt“, sagt der Belgier, „sonst wird er gefährlich.“ Universum-Coach Grygorian sieht es ähnlich. „Agit muss das Tempo hochhalten und den Druck optimal dosieren. So hält er Sanchez in Bewegung und kann seine eigenen Attacken solide aufbauen.“ In zwei Dingen sind sich alle einig: Agit absolviert eine brutal harte Vorbereitung und er wird gewinnen! Von Letzterem wollen der Gelobte und sein Coach Sükrü Aksu nichts wissen und hören. Sie konzentrieren sich ausschließlich auf Sanchez. „Wir haben noch keinen Gegner auf die leichte Schulter genommen“, sagt Aksu. Die mehr als 70 Runden gegen die besten Sparringsgegner unterstreichen seine Worte.
Die große deutsche Schwergewichtshoffnung
Agit Kabayel wurde in Leverkusen geboren. „Mein Vater hat hart gearbeitet, um der Familie alles zu ermöglichen. Jetzt studiert meine kleine Schwester Jura“, sagt er stolz. Ebenfalls stolz ist er, Deutscher zu sein. Er ist die Nummer fünf der Weltrangliste und trotzdem von der Popularität eines Max Schmelings, Henry Maskes oder Sven Ottkes meilenweit entfernt. Nur nach großen Siegen, wie zuletzt sein Knock-out gegen den Russen Arslanbek Makhmudov um den WBA-Intercontinental-Gürtel erfährt er die Aufmerksamkeit der Medien. Wenn einer das Schwergewicht als beliebteste Gewichtsklasse zurück in die deutschen Wohnzimmer holen kann, dann ist es er.
Kabayel, der wegen des anstehenden Gefechts seinen Europameistertitel niederlegte, wird mit einem kleinen Team nach Riad fliegen. Neben ihm werden Sükrü Aksu, Cutman Enno Werle, Fitness-Trainer Christian Mohr sowie Rapper und Cousin KC Rebell im Flugzeug sitzen. Und Familie? Die ist dabei. Denn mittlerweile ist Coach Aksu ein zweiter Vater.
Text von Wolfgang Wycisk