Delicious Orie – Olympiafavorit im Superschwer

Der britische Amateurboxer Delicious Orie, welcher als einer der Top-Favoriten in Nelvie Tiafacks Gewichtsklasse gehandelt wird, über seine Herkunft, die Spiele in Paris und seine Zukunftspläne.

Möchte DBV-Boxer Nelvie Tiafack bei den Olympischen Spielen in Paris weit kommen, wird er vermutlich im Laufe des Turniers auf Delicious Orie treffen. (Foto: IMAGO / PA Images)

„Es ist schrecklich, wirklich“, sagte Delicious Orie gegenüber dem Guardian, als er über den Krieg in der Ukraine nachdenkt. Der Superschwergewichtler verbrachte die ersten sieben Jahre seines Lebens in Russland, bevor der Rassismus, dem sein Vater ausgesetzt war, unerträglich wurde und seine Familie nach England auswanderte. „Wenn Mama und Papa sich nicht entschieden hätten, zu gehen und auszuwandern, hätte man mich dorthin zwingen können“, so der Boxer. „Ich bin in meinen 20ern, ich bin gesund, und der Gedanke macht mir wirklich Angst. Ich habe einfach großes Glück, dass ich nicht in dieses schreckliche Ereignis verwickelt bin.“

In diesen ersten sieben Jahren seines Lebens sprach Orie Russisch und nur ein paar englische Wörter. Erst als seine Eltern vor 20 Jahren nach London kamen, begann er, die Sprache zu lernen, die er heute wortgewandt beherrscht. Wie Joshua kam auch Orie im Vergleich zu den meisten führenden Amateurboxern erst spät in den Ring. Nun steht er in Paris vor einer weiteren lebensverändernden Reise.

Großes Vorbild Anthony Joshua

Sein großes Ziel ist es, in Paris Gold zu gewinnen. Danach will der 27-Jährige ins Profigeschäft wechseln, wie es sein großes Vorbild Anthony Joshua im Jahr 2012 tat. Laut dem Amateurboxer war es der britische Superstar, welcher demnächst erneut um den WM-Titel der IBF im Schwergewicht boxen wird, der ihm ihn schwierigen Zeiten Hoffnung schenkte. Mit 18 Jahren konnte er als „Staatenloser“ nicht auf ein College in den USA gehen. „Das hat mich zerstört. Meine Träume waren zerschlagen. Ansässig war ich zwar im Vereinigten Königreich, hatte aber weder die britische Staatsbürgerschaft noch einen Reisepass. Ich konnte also nicht reisen und kein amerikanisches Stipendium bekommen. Ich hatte acht Jahre lang so hart gearbeitet, und dann war alles vorbei, als einige meiner Freunde Stipendien für Orte wie Arizona bekamen. Das hat mich völlig fertig gemacht. Ich hatte das Gefühl, dass mir mein Traum entrissen wurde.“

Doch dann sah Orie sein heutiges Vorbild zum ersten Mal im TV: „Aber Anthony Joshua kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich hatte keine Ahnung vom Boxen. Die einzigen Boxer, von denen ich gehört hatte, waren Mike Tyson und Muhammad Ali. Ich erinnere mich, dass ich Joshua zum ersten Mal bei Sky Sports sah. Es war sein erster WM-Kampf gegen Charles Martin im Jahr 2016. Ich dachte mir: ‚Dieser Typ ist unglaublich. Was für ein Exemplar!’“ Er ergänzt: „Also habe ich eine kurze Google-Recherche durchgeführt und herausgefunden, dass seine Familie aus Nigeria stammt, er mit 18 Jahren mit dem Boxen angefangen hat und mit 1,98 m ein großer Kerl ist. Das war pure Inspiration.

Eine Reise beginnt

Zu diesem Zeitpunkt beschloss Orie Boxer zu werden, auch wenn seine Familie nicht viel von der Idee hielt. „Mein Vater war nicht wirklich dafür“, sagt Orie, bevor er anfing zu kachen. „Aber jetzt ist er mein größter Fan.“ Er führt aus, dass er zur gleichen Zeit „innerlich und auch von meinen Eltern angetrieben“ wurde, an die Universität zu gehen. „Ich wusste, dass ich Wirtschaftswissenschaften studieren wollte, und ich konnte ein Stipendium zur Studienfinanzierung erhalten. Das öffnete mir die Tür zur Aston University, und ich wechselte mit meinem Amateurboxclub nach Birmingham, wo die eigentliche Reise mit meinem ersten Amateurkampf mit 19 Jahren begann.“

„Man sagt, man solle nie seine Idole treffen, aber für mich war er ein echter Gewinn. AJ sagt mir, ich solle mir selbst treu bleiben und darauf achten, dass ich auf die richtigen Leute höre. Das ist wirklich wichtig, vor allem, wenn ich eine olympische Medaille, eine Goldmedaille, gewinne und die Dinge aus dem Ruder laufen.“

In Paris wird er auf jeden Fall von einem Gefühl des Glücks gestärkt werden, dass seine einzigartige Reise ihn zu den Olympischen Spielen und in die Nähe seines Traums vom Ruhm gebracht hat. „Ich würde nicht bei den Olympischen Spielen boxen, wenn ich nicht glauben würde, dass ich eine Goldmedaille gewinnen würde“, sagt Orie mit Überzeugung. „Es steht einfach fest. Ich muss es tun.“

Text von Robin Josten