Prof. Dr. Jens Hadler, Präsident des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV), zieht seine Olympia-Bilanz zu den Spielen in Paris – und teilt seine Ansichten zur Zukunft des olympischen Boxens.
Prof. Dr. Jens Hadler nimmt Stellung zum Abschneiden der deutschen Box-Staffel in Paris und ordnet die Veränderungen in der Weltspitze ein. Außerdem blickt der DBV-Präsident im Interview voraus auf Olympia 2028 – und die damit verbunden Hoffnungen auf den internationalen Box-Verband „World Boxing“. Hadler über …
… das deutsche Olympia-Abschneiden:
„Erstmal sind wir glücklich über die Medaille, das ist nach den Spielen in Tokio 2021 ein Qualitätssprung. Aber auch Magomed, Omid und Maxi haben alles reingeworfen und bis zum Schluss gekämpft. Deshalb bin ich allen vieren sehr dankbar. Das gilt auch für ihre Trainer und das großartige Orga-Team, das hinter ihnen stand.
Natürlich wären mehr Medaillen immer noch schöner, und mit etwas mehr Glück hätte sich auch noch der oder die andere für Paris qualifiziert. Aber von jetzt ab müssen wir hart arbeiten, damit 2028 noch besser wird. Das ist unser erklärtes Ziel.“
… die Bedeutung der Medaille hinsichtlich Förderung:
„Im hiesigen Modell ist eine olympische Medaille extrem wichtig, gerade in Hinsicht der finanziellen Förderung für unsere Kader. Da gehören wir lieber zu den sechzehn Verbänden, die in Paris etwas geholt haben.“
… die Neuordnung in der Weltspitze:
„Da oben hat sich einiges getan. Kuba dominiert nicht mehr, dafür hat auf einmal die Dominikanische Republik zwei Medaillen, und die Kapverden und Tadschikistan haben je eine. Mehr hat zum Beispiel auch das britische Team nicht geholt, wo ganz andere Ansprüche herrschen.“
… Usbekistans Erfolg mit fünf Goldmedaillen:
„Dort ist Boxen Staatssport. Der Präsident mag Boxen, da wird die Förderung insbesondere seit 2017 massiv gepusht. Und wenn ein System so breit auf Erfolg ausgelegt ist, auch durch die entsprechende Infrastruktur und finanzielle Mittel, und es bei Rückschlägen auch nicht hochfrequent in Frage gestellt wird, kommt eben sowas dabei heraus.“
… die Rückbetrachtung des letzten Olympia-Zyklus:
„Wir werden keine 180-Grad-Wende machen, aber natürlich müssen wir uns hinterfragen und neu justieren. Dazu wird es Einzelgespräche und eine Klausur mit den verantwortlichen Trainern und Stützpunktleitern geben. Danach werden wir das im Vorstand auswerten und uns entscheidende Fragen stellen. Zum Beispiel, inwieweit es Sinn macht, das Training der Spitzenathleten noch mehr zu zentralisieren. Oder wie sich Sportwissenschaft und ‑methodik noch besser verankern lassen, von den einzelnen Stützpunkten bis rauf zur Nationalmannschaft. Das und mehr gehen wir ergebnisoffen an.“
… Zukunft des olympischen Boxens:
„Ich bin sehr guten Mutes, dass Boxen olympisch bleibt, und dann ist World Boxing die einzig realistische Perspektive. Trotzdem sollten wir überlegen, wie wir den nächsten olympischen Zyklus für unsere Athleten und Athletinnen noch attraktiver gestalten können. Boxen, Ausbildung, Beruf, Lebensqualität: Das soll ja alles passen. Grundsätzlich verweigern wir uns auch nicht, wenn der ein oder andere Profikämpfe bestreiten möchte, sofern es in seine oder ihre Individualplanung passt. Auch da haben wir uns geöffnet und sind wesentlich flexibler geworden.“
… die Anerkennung von World Boxing durch das IOC:
„Noch ist ein Einspruch der IBA am Schweizer Bundesgericht anhängig, deshalb wird das nicht ganz so schnell geschehen. Doch bei allem, wie World Boxing agiert, hat der Verband gute Chancen, weitere Länder von sich zu überzeugen. Er ist ja auch alternativlos, wenn es um die olympische Perspektive geht.“
Text: Frank Schwantes
Noch mehr Statements von Prof. Dr. Jens Hadler sind im Interview auf der DBV-Homepage zu finden.