Sie kämpft für die Promotion „Boxen im Norden“, ist Weltmeisterin der WBF und WIBF und zählt zu den jungen Hoffnungsträgerinnen im deutschen Frauenboxen. BOXSPORT nimmt das Potenzial von „The Diamond“ Fai Phannarai unter die Lupe.
Zu ihren Vorbildern zählen die deutsche Box-Queen Regina Halmich und die Mehrklassen-Weltmeisterin Amanda Serrano, denen Fai Phannarai nacheifern möchte. Championesse nach Version der WBF und WIBF ist sie bereits, seitdem sie Crystal Garcia Nova am 29. Mai 2022 zur Aufgabe nach sechs Runden zwang. Hoffnungen auf einen Titelkampf der WBO, einem der vier großen Verbände, kann sie sich ebenfalls machen, denn dort wird sie aktuell auf Platz zwei der Rangliste im Superbantam geführt.
Als Nächstes steht für die 23-Jährige, die für die Hamburger Promotion „Boxen im Norden“ kämpft, aber eine Titelverteidigung ihrer Gürtel am Tag der Deutschen Einheit an. Am 3. Oktober tritt „The Diamond“ gegen die Australierin Shannon „Shotgun“ O’Connell an, die ihr nächster Prüfstein wird. Vorher stellt BOXSPORT die deutsche Hoffnungsträgerin mit thailändischen Wurzeln in der Analyse auf die Probe.
Erfahrung
Mit 15 Siegen in 15 Kämpfen ist die Bilanz von Fai Phannarai, die bei BoxRec als Phannarai Netisri geführt wird, bisher makellos. Seit ihrem Profidebüt im Jahr 2019 boxt die gebürtige Thailänderin mindestens zwei Fights pro Jahr, zuvor war sie als Kickboxerin aktiv, wo sie ihren Trainer Jiri Resl kennenlernte. Allerdings boxte sie bisher nur zwei Mal zu Beginn ihrer Karriere außerhalb von Deutschland, bei Kämpfen im tschechischen Usti nad Labem, bei denen der Hamburger Promoter Thomas Nissen auf sie aufmerksam wurde.
Seitdem hat Phannarai den Großteil ihrer Fights in ihrem „Wohnzimmer“, der Kiez-Disco „Große Freiheit 36“, absolviert, vor einem heimischen Fanpublikum. Einige Stay-busy-Fights, etwa gegen die chancenlose Vera Kubickova oder Journeywoman Hasna Tukic, finden sich auch darunter. Dazwischen hat sich Phannarai jedoch stetig gesteigert, besiegte im Juni 2021 beispielsweise die schlagstarke Cheyenne Hanson im Kampf um die Junioren-WM des WBC oder verteidigte ihre Gürtel jüngst gegen die toughe Maria Magdalena Rivera. Die Argentinierin erwies sich trotz ihrer 44 Jahre als eine sperrige Gegnerin, die „The Diamond“ letztlich einstimmig über die Punkte besiegen konnte.
Kampfstil
Die Nürnbergerin, die seit ihrem 15. Lebensjahr von Resl trainiert wird, präsentiert sich als technisch starke Boxerin, die sich auf ihre Gegnerinnen einstellen kann. Zu ihren größten Stärken gehört eine sehr stabile Doppeldeckung, mit der sie Wirkungstreffer ihrer Kontrahentinnen verhindert. Doch auch ihre Meidbewegungen und ihre Beinarbeit sind wichtige Aktivposten bei ihrer Deckungsarbeit, gerade gegen merklich größere Gegnerinnen wie Kim Angelina Jäckel oder Manuela Zulj.
Mit Deckungsarbeit und Ausweichen sucht Phannarai immer wieder Chancen, um bevorzugt Einzelhände oder Zweierkombinationen ins Ziel zu bringen. Zu ihren Spezialitäten gehören Kombinationen aus linken und rechten Haken, doch sie nutzt gern das volle Schlagrepertoire – egal ob Gerade, Hooks oder Uppercuts, sobald sie Chancen auf Treffer sieht. Wenn die Situation es erfordert, kann Phannarai jedoch auch blitzschnell umschalten, im Infight austeilen oder eine Gegnerin mit Schlagsalven eindecken.
Ausdauer
Auf ihre Fights bereitet sich Phannarai gewissenhaft vor, macht etwa Sparring mit größeren und schwereren Männern, um auch gegen hart gesottene Gegnerinnen über die Runden gehen zu können. Vor dem Fight gegen Rivera absolvierte sie extra ein anspruchsvolles Trainingscamp in Thailand bei hohen Temperaturen, um für die argentinische Schlachtenbummlerin gewappnet zu sein, die im Laufe ihres Lebens auch einige Straßenkämpfe bestreiten musste.
Sechs ihrer 15 Siege errang „The Diamond“ durch K.o., in den restlichen Fights ging sie über die Runden. Darunter sind sowohl die acht Durchgänge bei der Junioren-WM gegen Hanson als auch ihre zehnrundigen Titelverteidigungen gegen Ana Arrazola, Danielle Bennett und eben Rivera. Gegen die zermürbende Argentinierin zeigte Phannarai in den späteren Durchgängen allerdings leichte Ermüdungserscheinungen, bezeichnete den Fight im Nachhinein dann auch als den bisher schwersten ihrer Karriere.
Taktik
Phannarais technisches Können, ihre Flexibilität und ihr Ring-IQ halfen ihr bisher dabei, für jede Gegnerin die passende Taktik zu finden. Gegen die k.o.-gefährliche Hanson blieb sie in der Doppeldeckung und punktete geschickt. Kim Angelina Jäckel bearbeitete sie so lange mit harten Schlägen, bis deren Ecke das Handtuch warf. Gegen die kompakt stehende Rivera setzte sie auf Meidbewegungen und präzise Kombinationen. Gerade gegen größere Boxerinnen baut die 1,61 Meter große „Boxen im Norden“-Fighterin auf ihre ausgezeichnete Deckungsarbeit, um die Distanz zu überbrücken und dann Treffer zu setzen.
Fai Phannarai: Fazit
Fai Phannarai ist tatsächlich ein Diamant, der in den nächsten Fights noch weiter geschliffen werden muss. Gerade durch ihr technisches Können und ihre Variabilität hat sie durchaus das Potenzial, ganz oben mitzuspielen, muss aber weiter getestet werden. Sollte sie auch die nächsten, härteren Aufgaben genauso souverän bestehen wie ihre bisherigen Fights, dann ist sie bereit für einen Titelkampf bei einem der großen Verbände. (Text: Nils Bothmann)