Nina Meinke holt im „Blutkampf“ gegen Daniela Bermudez den IBF-Gürtel im Federgewicht. Doch die WM von historischem Ausmaß soll nur der vorläufige Höhepunkt sein. BOXSPORT kennt die Hintergründe.
Sie merkt kurz auf, fast unmerklich. Aber irgendetwas ist passiert. Und tatsächlich: Cut. Mittig am Haaransatz. Keine Schlagwirkung, unabsichtlicher Kopfstoß. Blut rinnt die Stirn hinunter, sammelt sich zwischen den Lidern in der Augenhöhle, fließt weiter über die Wangen und tropft an der Kinnspitze ab auf den granitschwarzen Ringboden mit den perlmuttweißen Schriftzügen der Veranstalter und Partner. Die Ringrichterin unterbricht.
Der rasch herbeizitierte Arzt checkt die Wunde, nickt, weiter geht‘s. Bis zum Pausengong sind es noch 59 Sekunden. Blut- und schweißverschmiert schafft sie es in die Ringecke. Sie, das ist Nina Meinke aus Berlin. Beim Kampf gegen die Argentinierin Daniela Romina Bermudez am 21. September in der Stadthalle Hamburg im Bezirk Alsterdorf; beim Gefecht um den vakanten WM-Titel nach Version der IBF im Federgewicht (-57,2 kg).
Drainagen für den Cut gelegt
Jetzt ist Coach Kay Huste gefragt. Und natürlich Cutman Ugur Aydogdu. Der presst mit sterilen Tupfern auf die drei, vier Zentimeter lange Blessur, versucht die Blutung bei Meinke zu stoppen. Nicht einfach – und er weiß: Dort am Ansatz mit den eng geflochtenen Haaren ist kein Fettgewebe, die Haut sehr dünn, anfällig für Platzwunden. „Ich habe Nina gesagt, es ist nicht sehr tief, nicht schlimm, aber der Cut ist an der Stelle schwer zu schließen“, wird Aydogdu später im Gespräch mit BOXSPORT berichten. Einen Trick gibt es dennoch. Drainagen legen, kleine Kanäle aus einer Mixtur aus Adrenalin und Vaseline. Das Blut kann so um die Augenbrauen herum abfließen, ohne die Sicht zu beeinträchtigen. Aydogdu ist fachmännisch versiert, da macht ihm keiner was vor.
Novum im europäischen Frauenboxen
Blöd nur, ein Malheur schon in der zweiten Runde. Sehr früh in dem Fight, zumal die „Blutschlacht“ im Seilquadrat nicht wie sonst über zehn mal zwei Minuten gehen wird. Nein, zwölf Runden je drei Minuten. Üblich bei den Männern, ein Novum hingegen in der Geschichte des Frauenboxens in Europa. Meinke und Bermudez samt Managements hatten sich auf die volle Distanz verständigt. Eine Frage der Gleichberechtigung. Und die Kontrahentinnen im Ring schenken sich nichts, keinen Millimeter Terrain. Von der ersten Minuten an ein offener Schlagabtausch, Salven von flinken linken und rechten Händen. Beiderseits. …
Text: Oliver Rast
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