Am 7. Dezember kämpfen Mahmoud Charr und Kubrat Pulev in Sofia um den „regulären“ WM-Titel der WBA. Die beiden Schwergewichts-Veteranen bringen dabei wenig Ring-Praxis aus den letzten Jahren mit, aber einigen Frust.
Wenn die beiden Schwergewichtler Mahmoud Charr und Kubrat Pulev an diesem Samstag (7. Dezember) in Sofia, Bulgarien, vor mehr als 10.000 Fans aufeinandertreffen, stehen insgesamt 72 Profikämpfe und 83 Lebensjahre im Ring. Allerdings führen die beiden Veteranen auch viele Jahre der Untätigkeit, bizarre Geschichten und eine Portion Frust in ihrem Gepäck mit.
Auf dem Spiel steht der „reguläre“ Schwergewichtsgürtel der WBA. Ein Gürtel, den beide Kämpfer in einem nicht enden wollenden Verwirrspiel des „Weiterreichens“ gefühlt schon etliche Male gewonnen und auch wieder verloren haben. Tatsächlich besessen hat den Gürtel der WBA aber nur Charr.
Rechtsstreit mit der WBA
Die „Regentschaft“ des Deutschen mit syrischen Wurzeln begann 2017, als er den vakanten „regulären“ WBA-Gürtel gegen Alexander Ustinov in Oberhausen gewann. Seitdem hat Charr keine einzige Niederlage erlitten – aber auch keine Titelverteidigung sowie insgesamt nur drei Kämpfe überhaupt bestritten. Man könnte sagen, dass sich der 40-jährige Boxprofi aus Köln seitdem unentwegt in einem ständigen Prozess der Wiedereingliederung befindet.
Charr (34-4-0, 20 K.o.), der sich mit dem früheren Sturm-Coach Magomed Schaburow auf das Duell in Sofia vorbereitet hat, hatte den Titel 2021 wegen Inaktivität verloren. Seitdem kämpfte er drei Mal, zuletzt im Dezember 2022. Im August 2023 setzte die WBA den „Koloss aus Köln“ nach einem langen Rechtsstreit wieder als Champion ein – WBA-Superchamp ist der Ukrainer Oleksandr Usyk. Zu Charrs Vita gehören auch zwei künstliche Hüften aus Titan, die ihm 2017 eingesetzt wurden, sowie ein Bauchschuss, den er vor einigen Jahren dank einer Not-OP überlebte.
Der 43-jährige Pulev (31-3-0, 14 K.o.) war in letzter Zeit ebenfalls kaum aktiv, zuletzt besiegte er im vergangenen Dezember Andrzej Wawrzyk über zehn Runden einstimmig nach Punkten. Die „Kobra“ hat in den letzten Jahren hochwertigere Gegner als Charr vor den Fäusten, auch wenn er gegen Kontrahenten wie Derek Chisora (SD 12) und Anthony Joshua (KO 9) den Kürzeren zog.
„Pulev hat eine großartige Amateurkarriere“, sagt Charr. „Er ist ein guter Techniker, aber er ist mental nicht so stark. Ich halte ihn für einen guten Amateurboxer, aber nicht für einen starken Profi. Mein Plan ist es, ihn dazu zu bringen, den Kampf aufzugeben. Ich werde seine Karriere beenden.“ Ob es für ihn ein Nachteil sei, in Bulgarien kämpfen zu müssen? „Mein Freund, ich bin Kosmopolit. Ich bin ein Weltkämpfer, ich fighte überall. Ich bin der ,arabisch-deutsche König’.“ Dann fährt fort: „Hör zu, mein Name ist ,Diamond Boy‘. Diamanten wachsen unter Druck. Mein Leben bestand aus ständigem Druck, und jetzt ist meine Zeit gekommen, zu glänzen. Wenn ich gegen Pulev kämpfe, werde ich brillant sein und wieder glänzen.“
„Jetzt schnappen wir uns den“
Das sieht Ulli Wegner ein wenig anders. Die 82-jährige Trainer-Legende unterstützte seinen Ex-Schützling in der Vorbereitung auf den Titelkampf. „Mit der Kondition hatten meine Boxer nie Probleme. Genügend Läufe und Krafttraining haben Kubrat für die WM fit gemacht“, erklärte Wegner gegenüber der „Bild“-Zeitung. „Daran hat auch Ex-Profi Frank Szabani einen Anteil, der über die ganze Zeit das Training von Pulev in Bulgarien leitete.“
Charr vs. Pulev – es wird ein Duell mit vielen Unbekannten, das „Bild plus“ am Samstag ab 19.30 Uhr live aus Sofia übertragen wird. Schlusswort Ulli Wegner auf der Pressekonferenz: „Mahmoud, du hast den Titel lange genug gehabt. Jetzt schnappen wir uns den.“
Text: Frank Schwantes
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