Fury-Manager Brown: „Tysons Stil ist unkontrollierbar“

Fury-Manager Spencer Brown verrät im Interview mit sport.de, mit welchem Schlachtplan der „Gypsy King“ in Teil 2 ziehen soll, warum Usyk so schwer zu knacken ist – und ob der Traumkampf Fury gegen Anthony Joshua 2025 endlich kommt.

Tyson Fury (o.) betritt Neuland: Im Revanchekampf gegen Schwergewichts-Champion Oleksandr Usyk steigt der Brite erstmals mit einer Niederlage auf dem Buckel in den Ring. (Foto: Getty Images)

Mister Brown, wie lief Tyson Furys Vorbereitung auf den Revanchekampf gegen Oleksandr Usyk am 21. Dezember in Riad?

Spencer Brown: Das Trainingscamp war fantastisch. Die Bedingungen in Malta waren fantastisch. An jedes Detail wurde gedacht: die Ernährung, der Fahrservice, die Köche. Wir hatten ein eigenes Gym, in das außer uns keiner reinkam. Es wurde kein Stein wird auf dem anderen gelassen.

Wie hat Fury die erste Niederlage seiner Profikarriere aus dem Hinkampf verdaut?

Nach dem Kampf war Tyson sehr demütig. Er hat es nicht allzu hart genommen. Man darf nicht vergessen, dass Usyk ein unglaublicher Kämpfer und ein sehr guter Mann ist. Es gab keine harschen Auseinandersetzungen zwischen den beiden – ein bisschen Spaß hie und da. Sie sind absolute Vollprofis. Was ich bei Tyson merke: Er weiß, dass er diesen Kampf hätte gewinnen können. Er hat einige Dinge angesprochen, die er nicht hätte tun sollen: die Mätzchen, die Clownereien. Er versteht das alles. Es ging um eine Runde, der Kampf war extrem knapp.

„Das wird die größte Show des Jahres“

Wie haben Sie den Verlauf des ersten Kampfes am Ring erlebt?

Tyson lag bei mir zu einem Zeitpunkt fünf Runden vorne. Er hat plötzlich einen Aufwärtshaken reingebracht, der Usyk fast den Kopf abgehauen hat. Wir dachten, das könnte es sein. Usyk sammelte sich, kam zurück und am Ende stark auf. Er war fabelhaft. Es war ein großartiger Kampf. Tyson wurde erwischt. Wenn Usyk diesen Schlag (in der neunten Runde, Anm.d.Red.) noch hundertmal schlägt, wird Tyson wahrscheinlich nie mehr davon getroffen. Aber da traf er.

Fury-Manager Spencer Brown (l.) gehört zu den Vertrauten von Box-Impresario Turki Al-Sheikh (r.). (Foto: Getty Images)

Jetzt sind wir wieder hier. Es wird Geschichte geschrieben. Wir sind wieder sehr zuversichtlich. Beim ersten Mal waren wir auch sehr sicher, dass Tyson es schafft. Tyson hat es nicht geschafft und danach war er ziemlich leer. Dieses Mal ist er gut vorbereitet. Seine Diät war hervorragend. Hoffen wir, dass beide Boxer unverletzt aus dem Kampf kommen. Es ist ein Boxkampf. Es ist Boxgeschichte, die da passiert. Das wird die größte Show des Jahres.

Viele Experten legen Ihrem Schützling nahe, er solle im zweiten Duell wesentlich aggressiver kämpfen und Usyk mit viel Körpermasse erdrücken. Was halten Sie von derlei Ratschlägen?

Daniel Dubois hat Usyk nie herum geboxt, Anthony Joshua hat Usyk nie herum geboxt und Derek Chisora hat Usyk nie herum geboxt. Das sind alles große, starke Leute. Sie alle wollten durch ihn durchmarschieren. Sie sind nie durch ihn durch. Usyk findet immer einen Weg, er ist ein fabelhafter Kämpfer. Man muss top sein, um mit ihm mithalten zu können. Tyson Fury hat es ihm so schwer gemacht wie noch keiner zuvor. Das würde Usyk vermutlich selbst sagen, wenn man sich anschaut, wie er nach dem Kampf aussah. Aber keine Frage: Er ist ein unglaublicher Mann.

„Gegen ihn ist jeder Stil probiert worden“

Es gibt Berichte, dass Fury am Samstag schwerer in den Ring steigt als im Mai? Ist das so, hat er ein paar Pfund draufgepackt?

Das weiß nur Tyson. Er ist der, der gegen Usyk kämpft. Er trifft seine eigenen Entscheidungen. Wir können nicht die Schläge für ihn einstecken. Wir können ihn nur beraten und ihm helfen.

Mit welchem Stil wird er dieses Mal den Erfolg suchen?

Gegen Usyk ist jeder Stil probiert worden. Das ist ein Kampf des Willens. Der Bulldozer-Stil scheint bei Usyk keinen Effekt zu haben. Er treibt seine Gegner selbst vor sich her und weicht nicht zurück. Wenn man gegen Usyk kämpft, muss man ihn in den Rückwärtsgang zwingen, da scheint er nicht wirkungsvoll zu sein. Wenn man ihn kommen lässt, ist man in Schwierigkeiten. Sobald er einen Gegner entschlüsselt hat, gibt es nur ganz wenige auf diesem Planeten, die ihn schlagen können. Wir glauben, dass Tyson ihn schlagen kann.

„Kein großer Puncher? Fragt doch mal Wilder“

Was sind Furys Vorteile, was macht ihn zu einem besonderen Kämpfer?

Tysons größte Stärken haben alle gesehen. Wo gibt es schon einen 2,06-Meter-Riesen, der sich so bewegen und so boxen kann wie Tyson, der die Auslage wechseln kann?

Er hat mehrere Stile drauf, wie man gesehen hat: Im ersten Kampf gegen Deontay Wilder hat er geboxt, im zweiten ist er durch ihn durch wie ein Messer durch Butter. Im dritten Kampf war er ziemlich schwer. Er hat nur vier Wochen trainiert, seine Tochter lag schwer krank im Krankenhaus. Tyson hatte eine diabolische Diät. Er war außer Form und hat es trotzdem geschafft – und das war womöglich Wilders beste Leistung. Es war harte Arbeit, aber er hat es mit Stil geschafft. Viele sagen, Tyson sei kein großer Puncher – fragt doch mal Deontay Wilder.

Tyson hat einen ,Herky-Jerky-Stil‘ (unkontrollierbar; Anm.d.Red.), er hat eine unglaubliche Beinarbeit, er kann tänzeln. Fragt seine Sparrings-Partner wie schwer es ist, an seiner Führhand vorbeizukommen.

Ein guter großer Boxer gewinnt immer gegen einen guten Kleinen – diese alte Boxweisheit hat Oleksandr Usyk (l.) im ersten Duell gegen Tyson Fury (r.) eindrucksvoll widerlegt. (Foto: Getty Images)

„Usyk hat uns alle getäuscht“

Eine alte Boxweisheit sagt, dass ein guter großer Boxer immer gegen einen guten Kleinen gewinnt. Im ersten Kampf war das nicht so …

Das hat sich erledigt, nicht wahr? In den meisten Fällen ist es so. Wir reden bei Usyk aber über einen Superkämpfer. Im Cruisergewicht war er für mich unschlagbar, ist dann ins Schwergewicht aufgestiegen. Er war sehr clever, er hat uns alle getäuscht gegen Chisora. Da dachten wir, so toll ist er ja gar nicht. Alle sind drauf reingefallen. Dann kämpfte Anthony Joshua gegen ihn und wir haben gesehen, was er mit Anthony gemacht hat, obwohl AJ nicht schlecht war.

Wie kann man Usyk denn überhaupt schlagen?

Ich würde nicht sagen, dass Usyk unbesiegbar ist, das ist er ganz sicher nicht. Aber man muss extrem fit sein, man muss extrem clever sein, hart schlagen, man muss ihn zurückdrängen. Tut man das nicht, verliert man. Usyk hat auch ein tolles Timing. Er weiß genau, wenn ein Gegner müde wird – und dann schlägt er zu. Das hat er gegen Tyson in den ersten sechs Runden nicht gemacht, da war es eher ein Schachspiel. Er ist ein starker Konterboxer und sehr clever. Er weiß genau, wann er angreifen muss und wann nicht. Das hat er bewiesen. Wir sind extrem zuversichtlich. Ich finde, Tyson war letztes Mal ziemlich leicht (118,8 Kilogramm; d.Red.). Hatte es etwas damit zu tun? Wer weiß, aber er wird ein großer, starker Mann sein.

„Wir sind krasse Außenseiter. Das gefällt uns“

Aus England hört man, Tyson werde dieses Mal an die 125 Kilo wiegen …

Ich würde nicht alles glauben, was man da so hört. Vielleicht kommt er superleicht in den Ring. Wir lassen die Katze nicht aus dem Sack. Er ist zurzeit sehr stark. Vielleicht wiegt er 115 Kilo.

Unterm Strich: Ihr Tipp, Ihre Prognose für den 21. Dezember?

Unter dem Strich (überlegt) … da denke ich seit Wochen drüber nach und ich denke immer was anderes je nach Tag. Was ich im Moment sehe – niemand hat Usyk bisher ausgeknockt. Dubois war nahe dran, ich fand der Schlag war legal. Es wird ein enger Kampf und Tyson gewinnt nach Punkten. Die Buchmacher sagen, Tyson kann nicht gewinnen, wir sind krasse Außenseiter. Das gefällt uns. Es wird eine aufregende Nacht.

Sie sprechen den Schlag von Daniel Dubois gegen Usyk im Sommer 2023 an, der den Ukrainer zu Boden schickte, den der Ringrichter aber als tief bewertete. Sind Treffer zum Körper Usyks entscheidende Schwachstelle?

Usyk ist nicht unbezwingbar. Das ist eine Schwäche, die er hat. Eine muss er haben. Das scheint sein Kryptonit zu sein, die Körpertreffer. Und Tyson schlägt viele davon, da ist er hervorragend drin.

„Fury vs. Joshua ist der größte Kampf, den es gibt“

Wie auch immer der Kampf ausgeht, alle Welt wartet nach wie vor auf ein Duell zwischen Tyson Fury und Anthony Joshua. Ihr Kollege Eddie Hearn sagt, egal, ob Tyson gewinnt oder verliert – dieser Kampf verliert nie seinen Reiz …

Das ist der größte Kampf, den es im Boxen gibt. Wenn man ihn morgen für Wembley ankündigt, ist er in fünf Minuten ausverkauft. Wenn man ihn in Riad macht, sind die Flüge in 20 Minuten ausgebucht, so groß ist das Ganze. Beide sind sich dessen bewusst. Könnte es Tysons letzter Tanz sein – vielleicht. Ich glaube, dass der Kampf kommt, das glaube ich wirklich und es wird ein Riesending.

Aber der Punkt ist: Es könnte ein Rubber Match geben, wenn Tyson gegen Usyk gewinnt, den Entscheidungskampf. Ich bin sicher, dass Tyson eine Trilogie gefällt. Es gibt so viele Optionen. Das Boxen ist gerade so aufregend. Es ist wieder in Mode. Wir scheinen in einer goldenen Ära zu sein, was toll ist für uns im Boxgeschäft. Das liegt alles an Saudi-Arabien, was sie gemacht haben: 50:50-Kämpfe, das Geld, das sie ausgegeben haben, die PR, die Videos. Solange sie involviert sind, hat das Boxen eine Chance, eine große sogar.

Text: Martin Armbruster / Dieser Beitrag erschien zuerst auf sport.de


BOXSPORT 11-12/2024
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Jetzt in BOXSPORT 11-12/24: FURY vs. USYK II: Alles zum Rückkampf der beiden Top-Schwergewichtler. Auch darüber hinaus dreht sich viel um die „schweren Jungs“: BOXSPORT blickt auf das deutsche Duell zwischen Granit Shala und Daniel Dietz, porträtiert Jake Paul, der es im Dezember mit Mike Tyson aufnimmt und erinnert an den „Rumble in the Jungle“, der sich zum 50. Mal jährt. Außerdem: Cruiser-Champ Noel Mikaelian im Interview, „Tiny Tina“ Rupprecht greift nach dem dritten WM-Titel und Ausblick auf die 101. Auflage der Deutschen Meisterschaften (DM) der Elite. Und: das schwere Schicksal der ehemaligen Boxerin Heather Hardy. Plus jede Menge Storys, Analysen, Ranglisten, Kampfreports und vieles mehr.