Der 1. Pulheimer Box-Club aus dem Kölner Umland ist Mitbegründer und Gewinner des „Deutschland Cup“, einer unbürokratischen Wettbewerbs-Alternative für junge Elite-Boxer.
Westlich von Köln, in einem unscheinbaren ehemaligen Industriegebiet liegt die Boxfabrik Pulheim. Etwas versteckt, zwischen den Hallen und Gebäuden einer Schreinerei, einer Kfz-Werkstatt, einem Tattoo-Studio und einem Nachtclub. „Wir sind gar nicht so leicht zu finden. Dabei haben wir sogar extra schon Fahnen aufgehängt“, lacht Thomas Dick, in Personalunion Vorsitzender, Schatzmeister und Trainer des Pulheimer Box-Clubs, kurz PBC.
Die Boxfabrik ist seit 2019 die Heimstätte des Vereins. Hier stieg auch am 11. März 2023 das Finale des „Deutschland Cup“ im olympischen Boxen. Dabei standen sich die Pulheimer Wild Boys und die Hamburg Giants gegenüber. Ein ungleiches Duell, wie sich herausstellen sollte. Die Pulheimer gewannen alle Duelle dieses Final-Wettkampfs und hielten am Ende des Tages den Wanderpokal in Händen, den sich der Sieger des Deutschland Cups bis zur nächsten Austragung in den Trophäenschrank stellen darf.
Die Pulheim Wild Boys sind der Leistungssport orientierte Ableger des 1. Pulheimer Box-Club 1978 e.V. Der Verein selbst wurde 1978, lange vor dem Box-Boom der Maske-Ära, von Pulheimer Box-Liebhabern und -Idealisten gegründet. Gerade einmal drei Monate später richtete der Club bereits seine erste Amateur-Box-Veranstaltung im Sportzentrum in Pulheim aus. Die erste Auswärtsfahrt führte die Boxer aus der Kölner Vorstadt 1981 nach Nürnberg. In den Folgejahren kamen Aktive des PBC regelmäßig zu Titelehren. Aktuell hat der Verein drei amtierende NRW-Meister in seinen Reihen. Neele, die Tochter von Thomas Dick, ist eine davor. Sie wurde zudem im April in Wittenburg Deutsche U17-Vizemeisterin in der Gewichtsklasse bis 54 kg.
1. Pulheimer Box-Club siegt beim „Deutschland Cup“
Und jetzt steht eben auch der Wanderpokal des Deutschland Cups in Pulheim. Ein Amateur-Wettkampf, der nach Regeln des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV), aber nicht unter dem Dach des DBV durchgeführt wird. Die Teilnehmer befinden sich alle in ihrem ersten Jahr als Elite-Boxer – geboxt wird ohne Kopfschutz.
Tatsächlich klingt der Name Deutschland Cup größer, als es die Serie bei näherer Betrachtung ist. Es nehmen nämlich nur drei Vereine teil. Neben den Pulheimern die Hamburg Giants und der Boxclub SC Bavaria 20 Landshut. In Niederbayern waren die Pulheimer Ende April beim Auftakt zur zweiten Auflage des Deutschland Cup zu Gast – vor Rekordkulisse. Rund 2.600 Zuschauer verfolgten die Veranstaltung in der Festhalle Schmidt live vor Ort. Besucherzahlen, von denen manch andere Vereine nur träumen können. Übrigens auch die Pulheimer selbst, die in der 320 Quadratmeter großen Boxfabrik deutlich weniger Box-Fans empfangen können.
Mit- statt Gegeneinander
Doch wie kommt man auf die Idee, eine solche Wettkampfreihe ins Leben zu rufen? „Wir waren nicht einverstanden mit einigen Dingen, die im organisierten Wettkampfbetrieb vorgefallen sind“, berichtet Thomas Koch. Er ist Sportwart des Boxverbandes Nordrhein-Westfalen und des Mittelrheinischen Amateur-Box-Verbandes und zugleich Koordinator des PBC für den Deutschland Cup. „Für den Liga-Betrieb werden die Rahmenbedingungen vorab schriftlich festgehalten, nur bei den Veranstaltungen erinnert man sich oft nicht mehr daran. Aus diesem Grund haben wir uns gesagt: Wir müssen Voraussetzungen schaffen, die es ermöglichen, unter gleichen Bedingungen Hin- und Rückkämpfe zu bestreiten, um die Teilnehmer ans Boxen zu kriegen. Beim
Deutschland Cup ist das der Fall. Hier werden die Sportler im Vorfeld gemeldet, sodass jeder weiß, mit wem man es zu tun hat und in welcher Gewichtsklasse die Leute antreten. Trotz des sportlichen Vergleichs, der im Vordergrund steht, beruht hier vieles auf Gegenseitigkeit. Die Kameradschaft und das freundschaftliche Zusammenarbeiten der Vereine sind uns sehr wichtig.“
Eigene Regeln
Der Deutschland Cup, der während der Corona-Pandemie ins Leben gerufen wurde, um den Sportbetrieb am Laufen zu halten, ist vollkommen autark vom Deutschen Boxsport-Verband. Zwar wird nach den offiziellen Wettkampfbestimmungen geboxt, aber das war es dann auch schon. „Wir machen unsere eigenen Regeln“, sagt Thomas Dick. Was im ersten Moment aufsässig klingt, meint aber etwas ganz anderes. Hier geht es nicht um Widerstand gegen Verbandsstrukturen, sondern um eine pragmatische Herangehensweise und ein unbürokratisches Miteinander im Sinne des Sports.
Wie das aussehen kann, erzählt Thomas Koch: „Unser 60-Kilo-Mann schreibt mittags in der Uni eine Klausur und boxt abends für uns in Hamburg. Er müsste um 17 Uhr zur Waage, kommt aber erst um 18 Uhr in Hamburg am Bahnhof an. Also sprechen wir mit dem Ausrichter: Ist es ein Problem, wenn er später kommt, auf die Waage geht und dann den letzten Kampf bestreitet? Nein, ist es nicht. Sein Gegner wiegt 300 Gramm zu viel. Streng genommen müsste er den Schwitzanzug anziehen und einmal um den Block laufen. Wir haben uns stattdessen abgesprochen und der Kampf konnte auch so stattfinden. Alles im Sinne des Sports. Schließlich bringt es keinem etwas, 500 Kilometer umsonst zu fahren, weil am Ende kein Gegner da steht.“
Damit dieser unbürokratische Ansatz erhalten bleibt, ist man beim PBC ebenso wie in Hamburg und Landshut vorsichtig, was eine Erweiterung des Teilnehmerfeldes angeht. Anfragen gibt es immer wieder. Auch aktuell sind wieder Vereine interessiert. Doch die Pulheimer sind darauf bedacht, die Stimmung und den Zusammenhalt zu bewahren. Vereine müssten deshalb bereit sein, im Sinne des Boxens Kompromisse einzugehen.
Text von Andreas Ohlberger