Agit Kabayel: Die Mauer muss weg

Neuer Manager, neuer Gegner, neuer Titelkampf – bei Agit Kabayel hat sich einiges getan! BOXSPORT erklärt, was genau dahinter steckt. Und blickt voraus auf den nächsten Kampf des deutschen „Leber-Kings“ am 22. Februar in Saudi-Arabien.

Voll fokussiert: Agit Kabayel steht sportlich so gut da wie noch nie in seiner Karriere. (Foto: imago-images / Moritz Müller)

Die Chinesische Mauer ist ein gewaltiges Bauwerk, dessen Bauzeit sich insgesamt auf stolze zweitausend Jahre beläuft. Ganz so alt ist Zhilei Zhang zwar nicht, aber die 41 Lenze der „Great Wall“ aus China sind für einen Boxprofi ein respektables Alter. Sein nächster Kontrahent am 22. Februar 2025 in Riad, Saudi-Arabien: die deutsche Box-Hoffnung Agit Kabayel, rund neun Jahre jünger. Doch das fortgeschrittene Box-Alter von Zhang wird für Kabayel kein Grund sein, diesen zu unterschätzen.

Das weiß auch Spencer Brown, der neue Manager von Agit Kabayel. „Zhang hat diesen Equalizer, mit dem er jeden k.o. schlagen kann. Er hat eine heftige Linke“, zollt der Brite dem Rechtsausleger im Interview mit sport.de Respekt. Allerdings, „Zhang ist 41, in dem Alter wird jeder auf diesem Level müde“. Der chinesische Ring-Veteran sei ein „großer, starker Mann“, lasse nach sechs Runden aber nach, erinnert Brown an dessen Punktniederlage im Frühjahr gegen Joseph Parker. Im Duell mit dem Ex-WBO-Weltmeister baute Zhang in der zweiten Hälfte konditionell ab, auch wenn er seinen Gegner in der letzten Runde zu Boden schickte. Die Punktrichter sahen den ­aktiveren Parker unter dem Strich vorn.

Spencer Brown: „Er ist für jeden ein Alptraum!“

Dass Brown, der bei seiner Management-Firma „Gold Star Promotions and Events“ auch Superstar Tyson Fury vermarktet, den „Jungen aus dem Pott“ unter seine Fittiche nahm, hat viele überrascht. „Er hat etwas Besonderes. Er ist kein riesiger Schwergewichtler. Aber Agit hackt seine Gegner klein, bricht ihre Herzen, er ist ein unerbittlicher Puncher und hat ein Kinn aus Eisen“, schwärmt der Strippenzieher vom deutschen Shootingstar. „Er ist zurzeit einer der besten Schwergewichtler, ein außergewöhnlicher Boxer. Agit ist zäh, hat Durchhaltevermögen, er ist für jeden ein Albtraum. Und er kommt aus einer Gegend à la Rocky, wo sie sich aus dem Nichts nach oben arbeiten.“

Kabayel wird trotz seiner Erfolge hierzulande in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Das verwundert Brown: „Liebe Deutsche, ihr habt hier einen Champion, den ihr ganz groß unterstützen solltet.“ Und würde Sport-Deutschland Kabayel endlich annehmen, „könnte er das deutsche Boxen sogar dahin zurückholen, wo es hingehört. Es war einst eine Riesen-Nummer“. Agit Kabayel selbst ist glücklich über den Deal mit dem exzellent vernetzten Manager, der als wichtiger Vertrauter des saudischen Box-Impresarios Turki Al-Sheikh gilt. „Ich bin froh, dass ich jetzt jemanden habe, der sich um das Business kümmert, sodass ich mich voll aufs Sportliche konzentrieren kann“, betonte „Deutschlands Boxer des Jahres 2023“ gegenüber sport.de.

Bakole-Fight platzt – Kabayel will echte WM

Ursprünglich hätte Kabayel als Nächstes einen Final Eliminator bei der IBF gegen Martin Bakole bestreiten sollen. Doch nachdem die vom Verband angesetzte Purse Bid mehrfach verschoben wurde, platzte der WM-Ausscheidungskampf vor einigen Wochen endgültig. „Es lag nicht an mir, nur damit die Fans das wissen“, betonte ­Kabayel via Instagram. „Ich habe nie ­einen Kampf gemieden.“ Am Ende ­habe es nicht gereicht, weil „es zu viel Sturheit seitens Bakole gab und er zu viel Geld wollte“, ärgerte sich der deutsche „Leber-King“. Dem Vernehmen nach forderte der Kongolese mindestens 2,5 Millionen Dollar für ein Duell gegen den Deutschen.

Nun fährt Kabayel auf der Schiene des Konkurrenzverbandes WBC, wo er nach seinem K.o.-Sieg im Mai gegen den Kubaner Frank Sanchez bereits den Status des offiziellen WM-Herausforderers hatte. Diesen kann er am 22. Februar sozusagen erneuern, wenn er gegen Zhang um die „Interims“-WM des WBC boxt. „Ich bin ehrlich: Interims-WM ist für mich noch nicht die richtige Weltmeisterschaft“, räumt der Bochumer Schwergewichtler ein. „Und das ist mein großes Ziel: Weltmeister im Schwergewicht zu werden.“ Gedanken an eine Niederlage gegen „Big Bang“ Zhang (siehe unten) wollen weder Agit Kabayel noch Spencer Brown verschwenden. „Bei einem Sieg ist Agit dem Gipfel ganz nah. Das bedeutet, dass er nächstes Jahr um den Titel kämpft“, unterstreicht der Manager. Und ließ durchblicken, dass er für ­Kabayel bereits mit mehreren Promotern verhandle.

Das ist Kabayels Gegner Zhilei Zhang

Mit China-Koloss Zhilei Zhang (1,98 Meter, knapp 130 Kilo Kampfgewicht) steht Agit Kabayel (1,91 Meter, 108 Kilo) wohl vor der gewaltigsten Aufgabe seiner Box-Karriere. Anfangs wenig geschätzt, ist der Rechtsausleger aus der Zehn-Millionen-Metropole Zhoukou längst Stammgast in den Top Ten der Königsklasse. Doch es dauerte, bis die Karriere von Zhang so richtig in Fahrt kam. Als Amateur konnte der Puncher weder Gold bei Olympia noch bei einer Weltmeisterschaft gewinnen. Sein größter Erfolg: Silber bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking. Vier Jahre später scheitere Zhang in London im Viertelfinale an Anthony Joshua – für chinesische Verhältnisse alles andere als ein rühmlicher Volksheld.

„Big Bang“ Zhang verfügt über einen mächtigen Punch! (Foto: imago-images / Xinhua)

2014 wurde „Big Bang“ Zhang Profi, heuerte bei US-Promoter Dino Duva an. Zwar blieb der Fighter aus dem Reich der Mitte in seinen ersten 25 Kämpfen ungeschlagen und siegte 19 Mal durch K.o., doch die Qualität seiner Gegner war überschaubar. Erst mit seinem Wechsel zu Promoter Eddie Hearn sollte Zhangs Karriere als Preisboxer einen Schub bekommen. Ungeachtet einiger Rückschläge brachte Hearn seinen Schützling auf Kurs, und Zhang beeindruckte zuletzt vor allem mit K.o.-Erfolgen gegen Ring-Größen wie Joe Joyce, den er zwei Mal bezwang, und Deontay Wilder.

Zhang boxt druckvoll, aber geduldig und wartet auf seine Chance. Er gilt als solider Boxer mit gutem Punch, der auch über Nehmerqualitäten verfügt. Die Tatsache, dass der 41-Jährige als Southpaw kämpft, könnte Agit ­Kabayel vor Probleme stellen. Andererseits kann sich der Bochumer genau das zum Vorteil machen. Mit seiner guten Beinarbeit kann er Zhang beschäftigen und versuchen, ihn auszuboxen. Außerdem öffnen Beinstellung und Führhand in der Rechtsauslage die rechte Körperseite, sodass die Leber offen für Treffer ist – eine Chance, die der deutsche „Leber-King“ nutzen dürfte.

Text von Frank Schwantes