Anthony Joshua: Back in Business

Anthony Joshua kam nach seinem K.o. gegen Andy Ruiz lange Zeit nicht mehr richtig auf die Beine. Doch der einstige Superstar hat hart an sich gearbeitet – und will sich am 21. September erneut zum Weltmeister im Schwergewicht krönen.

Ich bin wieder da: Anthony Joshua strahlt überglücklich nach seinem K.o.-Erfolg gegen Francis Ngannou beim „K.o.-Chaos“ am 8. März in Riad. (Foto: Getty Images / Richard Pelham)

Seit dem „Day of Reckoning“ im letzten Dezember in Saudi-Arabien ist Anthony Joshua (28-3-0, 25 K.o.) wieder eine große Nummer auf der Schwergewichts-Landkarte. Durch seinen überzeugenden Sieg über den schwedischen Southpaw Otto Wallin konnte sich „AJ“ zurück auf die vordersten Plätze des Heavyweight-Rankings katapultieren. In den vergangenen Jahren sah es lange Zeit danach aus, als ob der Darling der Briten nicht mehr das Feuer für den Thron der schweren Jungs mitbringt.

Seit dem epischen Sieg von Wembley im Jahr 2017 gegen Wladimir Klitschko, in dem er zwischenzeitlich selbst auf die Matte musste, wirkte Joshua mental nicht mehr auf der Höhe. Er agierte in nachfolgenden Kämpfen gegen Carlos Takam, Joseph Parker oder Alexander Povetkin äußerst vorsichtig – oder „gun-shy“, wie es die Amerikaner sagen würden. Spätestens seit der sensationellen Niederlage gegen Andy Ruiz jr. im Juni 2019 im New Yorker Madison Square Garden wirkte der Superstar der Königsklasse vollends angeknackst. AJ gewann zwar das Rematch gegen den mexikanischen „Destroyer“. Dabei vermisste man beim smarten Engländer allerdings jegliche Aggressivität, durch die sich der Olympiasieger von 2012 in seinen ersten Profijahren so besonders ausgezeichnet hatte.

Wirres Gestammel von „AJ“

Joshua boxte fortan nach dem Prinzip „Safety first“, wie es einst Wladimir Klitschko fast eine Dekade lang ausgeübt hatte. Will heißen: den Gegner mit dem Jab auf der langen Distanz halten und ihn an der Führhand verhungern lassen, um ihn dann final mit der rechten Geraden „abzuschießen“. Dieser Stil mag zwar für den jeweils agierenden Kämpfer äußerst effektiv sein, ist für Boxfans aber ausgesprochen langweilig. So konnte man beim früheren Champion der Verbände IBF, WBA und WBO erkennen, dass dieser bei Gegentreffern in eine Art Panik-Modus verfällt.

Am 12. August 2023 besiegt „AJ“ (r.) den Finnen Robert Helenius per K.o. in der Siebten. (Foto: Getty Images / Mark Robinson)

Dann der September 2021: Joshua boxt im Stadion der Tottenham Hotspur vor ausverkaufter Kulisse gegen das Box-Genie Oleksandr Usyk. AJ verliert einstimmig nach Punkten und entlässt daraufhin seinen langjährigen Coach Robert McCracken. Es folgt der Rückkampf gegen den ukrainischen Ausnahmekönner. Joshua kämpft diesmal unter der Leitung von US-Coach Robert Garcia, einem der erfahrensten Trainer im Geschäft. Er verliert allerdings erneut – und gibt im anschließenden Interview, aufgrund der Enttäuschung und Frustration, eine Tirade aus wirrem Gestammel von sich, welche den vorläufigen Höhepunkt einer Abwärtsspirale darstellt.

Davison entfacht das Feuer wieder

Die beiden darauffolgenden Fights gegen Jermaine Franklin und Robert Helenius gewinnt AJ, ohne wirklich zu überzeugen. Sein neuer Mentor zu dieser Zeit heißt Derrick James, ebenfalls ein Star-Trainer, der schon Errol Spence jr. und Jermell Charlo zu Weltmeistern machte. Die Chemie stimmt allerdings auch hier nicht zu 100 Prozent. Der Brite mit nigerianischen Wurzeln agiert weiterhin zu vorsichtig. Der geschulte Boxkenner erkennt förmlich, dass Joshua die K.o.-Niederlage gegen Andy Ruiz jr. noch immer in den Knochen steckt. Erst mit Ben Davison, dem Ex-Coach von Tyson Fury, der als „Julian Nagelsmann“ unter den Boxlehrern gilt, findet er endlich den richtigen Trainer an seiner Seite. Denn mithilfe von Davison entdeckt er sein altes Ich wieder – bei Joshua ist das Feuer wieder entfacht.

Beim „Tag der Abrechnung“ in Riad lässt AJ dem im Vorfeld als durchaus gefährlich eingestuften Otto Wallin nicht den Hauch einer Chance und gewinnt nach lehrbuchreifem Boxen in der fünften Runde verdient durch K.o. Dabei zeigt er endlich den langersehnten Killerinstinkt wieder, der ihn in den Jahren 2016 und 2017 an die Spitze der Königsklasse befördert hatte. Darüber hinaus schlägt der 34-jährige Londoner vermehrt Kombinationen und keine zaghaften Einzelhände mehr, wie er es beispielsweise gegen Oleksandr Usyk tat. Anfang März 2024 zerstört AJ den Ex-UFC-Star Francis Ngannou, gegen den sich Tyson Fury nur zu einer Split Decision mühte, in gerade einmal zwei Runden. Joshua scheint gewillt, das Zepter im Schwergewicht wieder zu übernehmen.

Am 21. September treffen sich Joshua (l.) und Daniel Dubois im Wembley-Stadion zur „Battle of Britain“. (Foto: Getty Images / Mark Robinson)

Favorit gegen IBF-Champ Dubois

Am 21. September kommt es nun zur „Battle of Britain“ gegen Daniel Dubois (21-2-0, 20 K.o.). Der 26-jährige Stadtrivale konnte zuletzt überzeugende Siege gegen Jarrell Miller und Filip Hrgovic einfahren und dürfte eine ernst zu nehmende Gefahr für Joshua darstellen. Weil Usyk seinen IBF-Gürtel niedergelegt hat, wurde Dubois vom Verband vom Interims- zum Champion heraufgestuft – somit steigt im Wembley-Stadion eine echte Schwergewichts-WM zwischen Dubois und Joshua. Bei diesem „Derby“ ist AJ allerdings der Favorit: Trotz massiver Power und großem Kämpferherz agiert „Dynamite“ Dubois noch zu defensiv-schwach und ungestüm, um auf der ganz großen Bühne bestehen zu können. Für AJ wäre es hingegen die Möglichkeit, zum dritten Mal Champion in der Königsklasse zu werden (wie Muhammad Ali, Evander Holyfield, Lennox Lewis und Vitali Klitschko) – und das in seinem „Wohnzimmer“ Wembley-Stadion.

Von allen bisherigen Schwergewichts-Champions ist Anthony Joshua, der insbesondere in der arabischen Welt nach wie vor einen Superstar-Status genießt, der wahrscheinlich athletischste. Dass er nun auch die nötigen boxerischen Mittel in seinem Werkzeugkasten mitbringt, um es noch einmal nach ganz oben zu schaffen, will er am 21. September der ganzen Welt beweisen.

Text: Joachim Schultes