Asiatischer Boxverband ASBC bleibt unter IBA-Dach

Die Asian Boxing Confederation (ASBC) votiert auf ihrem Kongress gegen den Beitritt zu World Boxing – und für den Verbleib in der IBA. Steht der Boxsport in Asien vor einer Zerreißprobe?

Auch die Nationalverbände von Usbekistan (r.: Abdumalik Khalokov) und Kirgisistan (l.: Munarbek Seiitbek Uulu) gehören der Asian Boxing Confederation (ASBC) an. (Foto: IMAGO / ZUMA Press Wire)

Sie haben sich entschieden, die Delegierten, mehrheitlich. Für den Verbleib der Asian Boxing Confederation (ASBC) in der IBA, der International Boxing Association. Alles geklärt ist damit dennoch nicht. Im Gegenteil, der ASBC droht eine Zerreißprobe, trotz aller „Einheitsrhetorik“.

Die ASBC kam am Samstagmittag zum außerordentlichen Kongress zusammen. Parallel zu den „Asian Junior & Schoolboys & Schoolgirls Boxing Championships“ in Al-Ain, Vereinigte Arabische Emirate (VAE). Delegierte aus 36 der 42 Mitgliedsverbände der ASBC waren erschienen, folgten dem Ruf des Vorstands um ihren Präsidenten Pichai Chunhavajira aus Thailand. Geheim abgestimmt werden sollte über den Beitritt des ASBC zur World Boxing (WB) – und folglich über den Austritt aus der IBA. Das Votum: 21 ASBC-Verbände stimmten dagegen, 14 dafür bei einer ungültigen Stimmabgabe.

Der Hintergrund ist bekannt: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte die IBA bzw. vormalige AIBA 2019 wegen Manipulations-, Korruptions- und Intransparenzvorwürfen suspendiert, 2023 ausgeschlossen. Daraufhin haben einzelne nationale Boxverbände die WB gegründet, darunter auch der Deutsche Boxsport-Verband (DBV). Ziel von WB ist es, die Nachfolgeschaft der IBA als internationaler Dachverband des olympischen Boxens anzutreten und künftig die Turniere bei den Olympischen Spielen auszurichten.

Demokratische Mehrheit

Interessierte konnten den ASBC-Kongress im Livestream verfolgen. Mehr als zweieinhalb Stunden tagten die Funktionäre im Großen Ballsaal eines 5-Sterne-Hotels in Al-Ain. Generalsekretär Ali Salameh hatte den Kongress geleitet. Nicht ganz komplikationslos. Nach der Nennung anwesender und fehlender Delegationen begann eine offene Aussprache. Mehrere Vertreter – etwa aus Usbekistan, Tadschikistan, aber auch aus Sri Lanka oder Malaysia – betonten die Einheit des Boxsports in Asien. Alsdann wurde es ernst. Abstimmung.

Salameh rief die jeweiligen Delegationschefs nach vorne zur Bühne mit dem ASBC-Vorstand, überreichte einen kleinen Stimmzettel. Zuvor meinte er noch: „Die Abstimmung ist sehr simpel, entweder das Kästchen mit ‚Ja‘ oder das mit ‚Nein‘ ankreuzen.“ Die Stimmberechtigten verschwanden dann mit dem Zettelchen hinter einer pechschwarzen Trennwand, hin zum Stehtisch als Schreibunterlage für das Kreuzchen machen. Anschließend traten sie wieder aus dem Sichtschutz hervor, warfen den Zettel mehrfach gefaltet in ein ovales, durchsichtiges Glasgefäß, das rechts neben dem Tisch von Chunhavajira und Salameh stand. Das ging 36 mal so.

An der Kongress-Abstimmung in Al-Ain (Vereinigte Arabische Emirate) nahmen 36 von 42 ASBC-Mitgliedsverbänden teil. (Foto: www.insidethegames.biz)

Zum Ernst gehört Spannung, in dem Fall die Auszählung. Bei laufendem Stream holte Salameh die Stimmzettel aus dem Glas, glättete die Knickspuren und legte sie als Bündel auf den Tisch. Nun zeigte er der Reihe nach jedes Zettelkreuz in die Kamera und verkündete entweder „No“ oder Yes“; je nachdem, was die ASBC-Delegierten angekreuzt hatten. Zur Illustration führte ein Protokollant während der Auszählung händisch mit schwarzem Filzstift eine „Ja-Nein-Strichliste“ auf einem schneeweißes DIN-A0-Blatt, fixiert an einer Flipchart auf Rollen.

Im Ergebnis votierten knapp 60 Prozent der präsenten Mitgliedsverbände für den Verbleib in der IBA. Nun, so ganz eindeutig schien das für den ASBC-Präsidenten samt einiger Delegierter nicht zu sein. Der Generalsekretär sah sich veranlasst, das Votum den Kongressteilnehmern zwei, drei Mal zu wiederholen. Salameh: „Es ist klar, der Antrag ist abgelehnt.“ Auf demokratischem Wege ermittelt.

Option Verbandsunabhängigkeit

Dennoch, ein Entscheid, den nicht alle akzeptieren wollten. So brachte der Verbandspräsident der VAE, Anas Alotaiba, einen weiteren Antrag ein. Die ASBC solle sich für unabhängig erklären, eine eigenständige Organisation werden, weder der IBA, noch der WB angehören. Zunächst zumindest. Der Vorstand ließ über die Zulassung dieser „Motion“ abstimmen, per Handzeichen. Erst zählte Salameh 16 Arme, beim abermaligen Durchzählen 19. Salameh und Chunhavajira nickten sich zu, sagten beinahe synchron: „Majority.“ Nominell ja, indes nicht satzungsmäßig.

Weil: Für neue Tagesordnungspunkte, die anfangs nicht auf der Agenda des Kongresses standen, sei mindestens eine Zweidrittelmehrheit nötig, intervenierte der ASBC-Vize-Präsident und Chef des kasachischen Boxverbands, Aziz Kozhambetov, vom Rednerpult aus. Bei 36 Delegationen müssten 24 zustimmen. Das Quorum sei mit 19 Pro-Stimmen nicht erreicht worden, folglich sei der Antrag nichtig, die Diskussion darum zu beenden. Salameh musste den Fehler einräumen und so endete der außerordentliche Kongress mit dem Schlusswort und der Danksagung an die Teilnehmer durch Chunhavajira.

IBA mahnt zur Besonnenheit

Nur wenig später am Samstagnachmittag begrüßte die IBA in einer Stellungnahme den Verbleib der ASBC in der „Familie“ der International Boxing Association. „Eine demokratische Entscheidung der Delegierten des Kongresses.“ Ferner mahnte die IBA dissidente nationale ASBC-Verbände, nun mit Bedacht vorzugehen, da ein potenzieller Austritt bedeute, nicht mehr zurückkehren zu können.

Einen hat das wenig beeindruckt. Chunhavajira erklärte noch am Samstagabend via Instagram der ASBC seinen Rücktritt aus dem IBA-Verwaltungsrat. „In Anbetracht der heute getroffenen Entscheidungen“, so Chunhavajira, der offenbar aber ASBC-Präsident bleiben will. Chunhavajira bemerkte, der asiatische Verband stünde an einem „Scheideweg“. Der Fokus müsse darauf gerichtet sein, dass Boxen auch 2028 in Los Angeles im olympischen Programm bleibe. Übersetzt bedeutet das wohl: Nur mit World Boxing kann das gelingen. Mag sein, eine weitere Zerreißprobe in der ASBC ist damit aber nicht gebannt. Im Gegenteil.

Text: Oliver Rast