Artur Beterbiev hat sich zum Undisputed Champ im Halbschwergewicht gekürt. Dabei musste er gegen Dmitry Bivol zum ersten Mal in seiner Profikarriere über die Runden gehen. Allerdings warf das Urteil der Punktrichter einige Fragen auf.
Nach seinem Sieg in Riad schien Artur Beterbiev (21-0, 20 K.o.) überraschend redselig zu werden – eine Seltenheit für den sonst wortkargen russischen Boxer. In einem Moment der Ehrlichkeit gestand er: „Ich war heute nicht gut. Ich wollte mehr Qualität. Aber eines Tages werde ich besser sein.“ Er fügte hinzu: „Dmitry ist ein Weltmeister, seine Fähigkeiten sind besser als meine, aber heute hat Allah mich gewählt.“
Beterbievs knapper Sieg nach zwölf Runden gegen Bivol wurde durch zwei Punktrichter entschieden (115-113, 116-112), während der dritte Kampfrichter ein Unentschieden (114-114) sah. Im Ring war die Knockout-Maschine aber lange nicht so dominant wie gewohnt. Seine Ecke warnte ihn mehrmals, er sei „nicht müde“ und solle auf einen Knockout hinarbeiten. Dennoch gelang es ihm nicht, Bivol zu dominieren oder ihn zu Boden zu bringen. Stattdessen sollte es sein erster Kampf werden, den er nicht vorzeitig beenden konnte.
Bivol kontrolliert Beterbiev
Von Beginn an wirkte Bivol, der nun eine Bilanz von 23-1 aufweist, konzentrierter und agiler. Mit intelligenten Bewegungen und präzisen Jabs kontrollierte er das Geschehen. In der Kingdom Arena in Saudi-Arabien konnte schaffte er es seinen Plan präzise umzusetzen, während Beterbiev Schwierigkeiten hatte, in den Kampf zu finden. Der sonst aggressive Kämpfer schien von Bivols Ruhe und Beweglichkeit überrumpelt zu werden und fand kaum Gelegenheiten, seine gefürchteten Power-Schläge anzusetzen.
In den ersten drei Runden konnte Beterbiev wenig ausrichten und wurde von Bivol mehrfach ausgekontert. Vor allem Bivols schnelle Kombinationen machten dem Russen zu schaffen, und es dauerte bis zur vierten Runde, bis Beterbiev etwas aktiver wurde. In der fünften Runde landete er einen harten Treffer auf Bivols Körper, doch Bivol blieb gefährlich und schlug immer wieder mit schnellen Kombinationen zurück. Auch in der sechsten Runde dominierte Bivol, trotz verstärkter Bemühungen seines Kontrahenten, den Kampf auf seine Seite zu ziehen. Bivol schaffte es immer wieder mit präzisen Kontern den Druck von Beterbiev zu entschärfen. In den letzten Runden wurde deutlich, dass Beterbiev zunehmend verzweifelt nach einem Knockout suchte. Seine Ecke forderte ihn auf, alles zu geben, doch Bivols clevere Verteidigung und schnelle Konter hielten ihn erneut in Schach. In der zwölften Runde gelang es Bivol, erneut klare Treffer zu setzen.
Fragwürdiges Urteil
Am Ende werteten zwei Punktrichter den Kampf für Beterbiev, ein Punktrichter sah ein Unentschieden. Beim Blick auf die Statistiken warfen die Entscheidungen zugunsten des neuen Undisputed-Champs allerdings große Fragen auf. Laut CompuBox gewann Beterbiev lediglich die Runden neun, zehn und zwölf, Durchgang acht war ein unentschieden und alle andern gehörten laut den Daten Bivol.
Aber nicht nur die Daten vom CompuBox, sondern auch die Reaktionen der Boxer und Beteiligten im und am Ring zeigten, dass die Punktrichter mit ihrer Bewertung daneben lagen. Selbst Artur Beterbiev war überrascht, als der Kampfrichter seinen Arm in den Himmel streckte. Und auch seine Ecke, die ihm vor der 10. Runde klargemacht, dass er Bivol ausknocken müsse, um den Kampf noch zu gewinnen, ging davon aus das er nach Punkten hinten lag. Ähnlich bewerteten es auch Matchroom-Boss Eddie Hearn und seine Exzellenz Turki Al-Sheikh, der mit saudischen Geldern diesen Kampf überhaupt ermöglicht hatte – beide sahen Bivol in ihrer Wertung vorne.
Hearn kritisiert Punktrichter scharf
„Wir haben einen der größten Kämpfe unseres Sports erlebt“, sagte Hearn auf der Pressekonferenz nach dem Kampf in Saudi-Arabien. „Ich will Artur Beterbiev keinen Respekt absprechen, er ist ein unglaublicher Boxer. Aber es ist einfach ungerecht, dass Dmitry Bivol nach all seinen harten Jahren nicht als unangefochtener Champion hervorgeht. Er hat diesen Kampf klar gewonnen. Ich hatte große Schwierigkeiten, jemanden zu finden, der den Kampf anders bewertet hat. Ich sage nicht, dass es ein skandalöses Urteil ist, aber ich verstehe nicht, wie man Beterbiev acht Runden geben konnte.“ Hearn kritisierte besonders den polnischen Punktrichter Pawel Kardyni, der den Kampf mit 116-112 für Beterbiev wertete: „Er sollte nie wieder als Punktrichter arbeiten dürfen.“
Text von Robin Josten
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