Bivol vs. Beterbiev II: Repeat or Revenge?

Nur rund vier Monate nach ihrem ersten hochklassigen Fight duellieren sich Artur Beterbiev und Dmitry Bivol erneut um die unumstrittene Weltmeisterschaft im Halbschwergewicht. Wer hat im Rematch die Nase vorn? BOXSPORT macht den Check.

Fragwürdiges Urteil: Im ersten Duell sahen viele Experten Dmitry Bivol (r.) vorne, die Punktrichter kürten aber Artur Beterbiev (l.) zum Sieger. (Foto: imago-images / ITAR-TASS)

Es gibt Boxkämpfe, die auf einem so hohen Niveau ausgefochten werden, dass gerne der Vergleich zum Schach gezogen wird. Das Duell zwischen Artur Beterbiev und Dmitry Bivol im vergangenen Oktober war so ein Beispiel. Die beiden Weltklasse-Halbschwergewichtler zelebrierten in ihrem Fight Boxen auf einem solch exquisiten Level, dass man schon fast zwangsläufig Parallelen zum als „Spiel der Könige“ bekannten Brettspiel ziehen konnte. Vorausschauendes Denken, strategisches Geschick und höchste Konzentration, allesamt wichtige Qualitäten beim Schach, waren auch beim Fight um die unumstrittene Weltmeisterschaft zu beobachten.

Am Ende gewann Artur Beterbiev das spannende Duell hauchdünn nach Punkten, obwohl viele Beobachter Dmitry Bivol knapp vorne sahen. Schnell war aber vor allem eines klar: Ein Rematch muss her, um hier wirklich für klare Verhältnisse zu sorgen. Und dieser mit Spannung erwartete Rückkampf steigt am 22. Februar in Riad, Saudi-Arabien. Wird Beterbiev diesmal alle Zweifel ausräumen und die Kritiker verstummen lassen können? Oder holt sich Bivol den Sieg, den er in den Augen vieler bereits im ersten Fight verdient hatte? Wir lassen beide Kontrahenten im BOXSPORT-Check schon vorab in den Ring steigen und verraten, wer im Rematch die besseren Karten hat.

Erfahrung

Sowohl Bivol als auch Beterbiev waren bereits vor ihrer Profikarriere über viele Jahre erfolgreiche Amateure. Beide wurden mehrfach russische Meister und konnten auch internationale Erfolge feiern, kommen auf mehrere hundert Amateurkämpfe. Auch bei den Profis unterscheiden sie sich in puncto Erfahrung nur marginal. Der fünf Jahre jüngere Bivol wechselte ein Jahr später als Beterbiev zum Berufsboxen, kommt aber dennoch auf drei Profifights und vier WM-Kämpfe mehr. 

Deutlich wird der Unterschied nur bei der Anzahl der geboxten Profirunden, wo Knockout-Maschine Beterbiev nur auf 110 kommt. Nur ein Mal, im ersten Duell der beiden, musste er über die volle Distanz von zwölf Runden gehen. Bivol hingegen hörte schon elf Mal die letzte Glocke eines Fights. Kritische Momente mussten beide schon überstehen, nicht nur im direkten Duell gegeneinander. So war Bivol 2019 beispielsweise in der Schlussphase seines Kampfes gegen Joe Smith Jr. nach einem harten Treffer in Bedrängnis. Beterbiev hingegen musste 2018 gegen Callum Johnson und 2014 gegen Jeff Page Jr. gar kurzzeitig auf die Bretter. Ein klarer Vorteil ist hier nicht auszumachen.

Kampfstil

Stilistisch unterscheiden sich die beiden Weltklasse-Halbschwergewichtler deutlich. Bivol ist der beweglichere Mann, mit boxerischen Vorteilen und dem besseren Jab. Im Gegenzug verfügt Beterbiev über die weitaus größere Schlagkraft, kann enormen Druck ausüben und ist im Ring auch der aktivere Mann. Das zeigte sich beispielsweise bei der Kampfstatistik des ersten Fights, wo der inzwischen 40-Jährige laut „Compubox“ 682 Schläge abfeuerte. Bivol hingegen kam „nur“ auf 423. Dafür glänzte Bivol mit mehr Präzision, konnte vor allem mit sauberen Kontern immer wieder Akzente setzen. 

Ausdauer

Vor dem Fight im Oktober dürften die meisten dem fünf Jahre jüngeren Bivol die bessere Ausdauer bescheinigt haben. Schließlich ist er es gewohnt, zwölf Runden zu gehen, während Beterbiev bis dato jeden Gegner vorzeitig schlagen konnte. Doch im Ring zeigte sich ein anderes Bild: In der Schlussphase war es der Wahl-Kanadier Beterbiev, der noch zulegen konnte und sich die meisten Runden sicherte. Bivol brach zwar keineswegs ein, landete ebenfalls gute Treffer, fand sich aber größtenteils in der Defensive wieder. Beterbiev könnte gerade im Hinblick darauf hier leichte Vorteile haben.

Taktik

Bivol zeigte vor allem zu Beginn des ersten Duells taktisch eine brillante Vorstellung. Der 34-Jährige überließ Beterbiev bewusst die Ringmitte und spielte seine Stärken von außen aus. Defensiv höchst diszipliniert, hielt er seinen Kontrahenten mit einem herausragenden Jab auf Distanz, bestrafte Angriffsversuche Beterbievs mit scharfen Konterschlägen. Beterbiev hatte vor allem in der Anfangsphase Probleme, Bivol im Ring den Weg abzuschneiden. Eine Qualität, die den 40-Jährigen normalerweise auszeichnet. Doch im Kampfverlauf und nicht zuletzt auch dank guter Attacken zum Körper, konnte Beterbiev den Druck immer weiter erhöhen und so auch mehr Erfolg feiern. Dennoch bleibt der Eindruck, dass Bivol taktisch für den Rückkampf mehr Optionen im Köcher hat.

Bivol vs. Beterbiev II: Fazit

Auch vor dem Rückkampf steht eines fest: Beterbiev vs. Bivol verspricht Boxsport auf allerhöchstem Niveau, wo Nuancen entscheiden werden. Wenn Bivol taktisch ähnlich diszipliniert beginnt, kann er sich gegen den schon fast klassisch eher schwach startenden Beterbiev erneut einen Vorsprung herausboxen. Dann wird es darauf ankommen, ob der gebürtige Kirgise dem Druck von K.o.-Monster Beterbiev standhalten kann. Schafft Bivol das vor allem in der Schlussphase, sollte er einen klaren Punktsieg einfahren können. 

Für den amtierenden Weltmeister wird es hingegen wichtig sein, diesmal besser in den Kampf zu finden. Beterbiev braucht erneut eine hohe Workrate und darf Bivol kaum Luft zum Atmen lassen. Dann könnte er im letzten Kampfdrittel durch Zermürbung und Schlaghärte vielleicht sogar einen vorzeitigen Sieg einfahren. Viele haben Bivol schon im ersten Kampf vorne gesehen. Im Rematch wird er an den letzten Stellschrauben drehen, um diesmal auch offiziell einen Sieg nach Punkten zu erringen. 

Text von Benjamin Stroka

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