Chris von Heerden – Kampf um Gerechtigkeit

Im April 2022 stand Chris van Heerden zuletzt im Ring. Seine Profikarriere hat der Weltergewichtler mittlerweile offiziell beendet. Dennoch kämpft der Südafrikaner weiter – für die Freiheit seine großen Liebe.

Kämpfernatur: Auch schwere Schicksalsschläge können Chris van Heerden nicht die Hoffnung nehmen. (Foto: Getty)

Unerwartete Schicksalsschläge sind für Chris van Heerden kein Novum. Der Vater des südafrikanischen Boxers wird 2018 im Johannesburger Umland hinterrücks erschossen, als er versucht, einen potenziellen Deal illegaler Fleischhändler zu melden. Der Vorfall ereignet sich vor den Augen von Chris‘ jüngstem Bruder Donjuan und wird mit einer Handykamera gefilmt, der Clip geht in den sozialen Medien viral. Lange Zeit muss van Heerden auf Gerechtigkeit warten – erst fünf Jahre später wird der Täter zu 15 Jahren Haft verurteilt. Sichtlich erleichtert twittert Chris: „Endlich können wir damit abschließen.“

Die schweren Zeiten scheinen endlich vorbei zu sein. Seinen letzten Einsatz im Ring verlor der Weltergewichtler im April 2022 gegen Conor Benn durch T.K.o. in Runde zwei. Der heute 37-Jährige gesteht sich ein, dass mit dem Tod seines Vaters auch die Leidenschaft für den Sport gestorben ist. Chris schaut nach vorn und findet eine neue Liebe. Wenige Wochen nach der erlösenden Verurteilung des Mörders seines Vaters lernt er in seiner Wahlheimat Santa Monica in Kalifornien (USA) die Ballerina Ksenia Karelina kennen. Gemeinsam genießen sie eine wunderbare Zeit, gekrönt von einer Türkei-Reise zum Jahreswechsel 2023/24. „Das waren die schönsten Tage, die wir bislang als Paar hatten“, erinnert sich Chris, „es war magisch!“

In Istanbul schmieden die beiden an Silvester große Pläne. Ksenia, eine gebürtige Russin, freut sich auf einen Besuch bei ihrer Familie in Jekaterinburg. Chris schenkt ihr die Flugtickets zum Geburtstag. Die 33-jährige Tänzerin besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft (Ksenia hat auch einen US-amerikanischen Pass) und bricht unbesorgt nach Russland auf, obwohl sie weiß, dass das Verhältnis zwischen den USA und ihrem Heimatland seit dem Beginn des Ukrainekriegs mehr als angespannt ist. Eine folgenschwere Entscheidung für ihre Liebe.

Übermächtiger Gegner

Noch bei der Landung am Flughafen in Russland wird die Ballerina schikaniert, die Behörden ziehen ihr Handy ein. In den nächsten Tagen müssen Chris, der ebenfalls Wahlamerikaner ist, über das Telefon von Ksenias Mutter kommunizieren. Am 27. Januar bricht die junge Frau auf, um ihr überprüftes Handy bei den Behörden wieder auszulösen. Doch Ksenia wird festgenommen und kommt in Untersuchungshaft. Ihre doppelte Staatsbürgerschaft wird von Russland nicht anerkannt. Und der Geheimdienst FSB wirft ihr laut Anklageschrift vor, seit Februar 2022 „proaktiv Gelder für eine ukrainische Organisation gesammelt zu haben, welche in der Folge für den Kauf taktischer Medikation, Ausrüstung, Waffen und Munition von den ukrainischen Streitkräften genutzt wurden“.

Bei einer Verurteilung wegen Hochverrats drohen der Ballerina zwölf Jahre Haft in einem Straflager. Entgegen der Anklage hat Ksenia im Februar 2022 lediglich einen Betrag von 51,80 Dollar an eine New Yorker Wohltätigkeitsorganisation gespendet, die sich für die Ukraine einsetzt. Zudem hatten die russischen Behörden Nachrichten auf ihrem Smartphone entdeckt, in denen sich die Tänzerin auf Social Media ablehnend zum Ukrainekrieg äußerte und eine Beilegung des Konflikts forderte.

Seit mittlerweile zehn Monaten kämpft Chris van Heerden nun um die Freilassung seiner Freundin – und gegen einen übermächtigen Gegner. „Ich bin nur ein Boxer. Ich interessiere mich nicht für Politik“, sagt der ehemalige IBO-Champion. Russland unterbindet jegliche Kontaktaufnahme von US-Amerikanern zur Inhaftierten. Somit ist er das einzige Bindeglied zwischen Ksenias russischem Anwalt, ihrer Familie, dem US-amerikanischen Außenministerium, dem Weißen Haus und sämtlichen anderen US-Behörden. Chris stellt sich der Herausforderung. Im August beendete er offiziell seine Karriere, doch nun kämpft „The Heat“ einen anderen Kampf. Dabei steckt er seine ganze Energie in die Auseinandersetzung mit der russischen Bürokratie.

Zum Warten verdammt

Gegen das Urteil in Jekaterinburg hat van Heerden Berufung eingelegt. In den USA setzte er alle Hebel in Bewegung und veranlasste eine Prüfung, die belegen soll, dass seine Freundin zu Unrecht inhaftiert wurde. Wenn der Nachweis erbracht ist, bekommt Ksenia Priorität bei einem möglichen, zukünftigen Gefangenenaustausch zwischen den USA und Russland. Aktuell befindet sich der gebürtige Südafrikaner in Gesprächen mit dem US-Außenministerium. Aber man gab ihm zu verstehen, dass er momentan alle Ressourcen ausgeschöpft hat. Zum Warten verdammt, nutzt Chris jede Möglichkeit, um die Geschichte bei Social Media und in der öffentlichen Wahrnehmung präsent zu halten. Nur wenn der Fall nicht vergessen wird, besteht Hoffnung, dass sich bald etwas ändert.

Nur zwei Mal pro Monat darf das Paar Briefe austauschen, mehr Kommunikation ist nicht erlaubt. Eine schwere Belastungsprobe für ihre junge Liebe. Doch Chris gibt sich kämpferisch: „Ich bin der Einzige, der Ksenia helfen kann, da rauszukommen. Im Moment ist es ein harter Kampf für mich, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir gewinnen werden. Ksenia wird wieder bei mir sein und wir werden eine Geschichte zu erzählen haben. Das ist eine wunderschöne Liebesgeschichte.“ Chris van Heerden hofft weitern täglich auf positive Nachrichten. Damit ihr Silvester 2025 noch besser wird als das 2024.

Text Julius Stoll