Anlässlich des 75. Geburtstages von Boxlegende George Foreman am 10. Januar 2024 blickt BOXSPORT zurück auf die sportliche Vita und den außergewöhnlichen Lebensweg des zweifachen Schwergewichtsweltmeisters „Big George“ Foreman.
George Foreman erblickt am 10. Januar 1949 als Sohn von Nancy Foreman in Marshall im US-Bundesstaat Texas als fünftes von sieben Kindern das Licht der Welt. Er wird von ihr und JD Foreman, den seine Mutter geheiratet hatte, als George noch ein kleines Kind war, aufgezogen. Seinen leiblichen Vater, Leroy Moorehead, lernt George Foreman erst sehr viel später kennen. Die Familie lebt in bescheidenen Verhältnissen, und George entwickelt sich früh zu dem, was heutzutage als „Problemkind“ bezeichnet wird.
Seine Kindheit ist bestimmt von Armut und Gewalt. In der Schule und in der Nachbarschaft schikaniert er jüngere Kinder und gelangt als Schläger zu zweifelhaftem Ruf. Frühes Aufstehen ist dem Heranwachsenden ein Gräuel. Die Schule verlässt er nach der neunten Klasse, im Alter von 15 Jahren – was er später zutiefst bedauert. „Es würde mich so stolz machen, wenn ich einen College- Abschluss hätte“, erklärte er der Zeitung „Die Welt“ im Januar 2013 anlässlich seines 65. Geburtstags.
Doc Broaddus macht aus dem Schläger einen Boxer
Stattdessen verlässt er die Schule und macht sich bald als Straßenräuber und Schläger auf den Straßen von Houstons Stadtbezirk Fifth Ward einen Namen. Seine Größe und seine Aggressivität verschaffen ihm den Respekt der Straßengangs. Sein Lebensweg scheint vorgezeichnet, das Ende im Gefängnis nur eine Frage der Zeit. Dass es am Ende ganz anders kommt, verdankt er einem Inserat des Lyndon B. Johnson Job Corps. Der Kennedy-Nachfolger als US-Präsident hatte ein Programm auf den Weg gebracht, um benachteiligten Kindern zu helfen und sie für berufliche Tätigkeiten zu qualifizieren. Das Job Corps nimmt ihn auf und schickt ihn zu Fortbildungen nach Oregon City in Kalifornien. Seine Streitsucht und die Fähigkeit, aus dem Nichts eine Schlägerei anzuzetteln, nimmt er mit.
Während einer solchen Prügelei mit Mitschülern kommt es zu einer schicksalhaften Begegnung: Ein Betreuer, der eigentlich einschreiten und den Kampf beenden will, erkennt das besondere Talent des widerspenstigen Jungen. Doc Broaddus, ein begeisterter Box-Enthusiast, leitet Georges Vorliebe fürs Kämpfen in die richtigen Bahnen und bringt ihn zum Boxen. Der Fortschritt ist überragend: Innerhalb von zwei Jahren qualifiziert sich Foreman für das olympische Box-Team der USA. 1968, im Alter von gerade einmal 19 Jahren, nimmt George Foreman in Mexiko-Stadt an den Olympischen Spielen teil und gewinnt auf Anhieb die Goldmedaille im Schwergewichtsboxen.
Umstrittene Haltung zur Bürgerrechtsbewegung
Wenige Monate vor Olympia war in Memphis der Bürgerrechtler Martin Luther King erschossen worden. In den USA kam es daraufhin in vielen Städten zu Ausschreitungen und zu Spaltungen innerhalb der afroamerikanischen Gemeinde über den zukünftigen Kurs. Foreman war zunächst versucht, sich den Protesten anzuschließen.
Doch das Schicksal der afroamerikanischen Olympioniken Tommie Smith und John Carlos hält ihn zurück. Die beiden Leichtathleten werden aus dem Olympiateam ausgeschlossen, weil sie während der Siegerehrung bei der Nationalhymne die in schwarze Handschuhe gehüllten Fäuste in den Himmel gereckt haben – eine Geste der „Black Power“-Bewegung. Foreman entscheidet sich gegen den Protest und schwenkt nach seinem Sieg über den Sowjetrussen Jonas Cepulis lieber die amerikanische Flagge. Die Reaktionen schwanken zwischen „bewundernswert patriotisch“ und „opportunistisch“.
Wechsel ins Profilager – und beeindruckende Siegesserie
Zurück in den USA, wechselt Foreman von den Amateuren ins Profilager. Seinen ersten Profikampf bestreitet er am 23. Juni 1969 im New Yorker Madison Square Garden gegen Don Waldheim, den er in der dritten Runde durch technischen Knock-out besiegt. In den folgenden 11 Monaten steigt Foreman weitere 19-mal (!) ins Seilgeviert. Er gewinnt Kampf um Kampf. Wie früher auf den Straßen von Houston beeindruckt seine K.o.-Quote: Als er am 10. Mai 1971 um seinen ersten Titel, die Nordamerika-Meisterschaft im Schwergewicht, boxt, bringt er es auf einen persönlichen Rekord von 27 Siegen in ebenso vielen Kämpfen, von denen er 25 mit K.o. beendet. Bis 1973 schraubt er die Bilanz auf 37 Siege hoch – wenngleich zumeist gegen mittelmäßige Gegner.
Ein erster echter Prüfstein soll Joe Frazier werden. Doch selbst der gleichfalls ungeschlagene Schwergewichtsweltmeister ist Foreman nicht gewachsen. Der Kampf in der jamaikanischen Hauptstadt Kingston dauert keine sechs Minuten. „Big George“ schickt den amtierenden Titelträger in den ersten beiden Runden gleich sechsmal auf die Bretter und verlässt den Ring als neuer Weltmeister.
George Foreman vs. Muhammad Ali: der größte Kampf der Geschichte
Die Siegesserie reißt erst gegen den wohl größten Boxer aller Zeiten, Muhammad Ali, in Foremans 40. Profikampf, der als „Rumble in the Jungle“ in die Geschichte eingeht. Acht Runden lang zermürbt Ali den Weltmeister in der schwülen Hitze von Kinshasa mit seiner „ Rope a dope“-Taktik. Dazwischen bleibt ihm noch Zeit, seinen Gegner zu provozieren. „Ich wollte ihn totschlagen, ihn umbringen. Doch er blieb stehen“, erinnert sich Foreman in einem Interview. „Als er mir in der achten Runde dann auch noch ins Ohr wisperte: ‚Ist das alles, was du draufhast?‘, war ich fertig.“
Die Niederlage gegen Ali treibt Foreman in eine schwere Depression – und indirekt zu Gott. 15 Monate vergehen bis zur Rückkehr in den Boxring. Foreman bestreitet einige Kämpfe, die er allesamt gewinnt. Darunter auch ein zweites Duell mit „Smokin‘“ Joe Frazier.
Ein erneuter Titelkampf bahnt sich an, als er im März 1977 in San Juan (Puerto Rico) gegen Jimmy Young in den Ring klettert und nach Punkten verliert. Viel bedeutsamer als die zweite Niederlage ist jedoch, was nach dem Kampf in der Kabine geschieht. Foreman erleidet einen Hitzschlag und bricht vor Erschöpfung zusammen. Dabei erlebt er eine Nahtod-Erfahrung. Er behauptet, sich an einem höllischen, erschreckenden Ort des Nichts und der Verzweiflung befunden zu haben. Er bittet Gott um Hilfe und berichtet, wie er spürte, dass Gott ihn aufforderte, sein Leben und seine Gewohnheiten zu ändern. Später wird er über diese Situation scherzend berichten, Young habe den Teufel aus ihm herausgeprügelt.
Aus dem Boxring in die Kirche – George Foreman wird Prediger
Wieder genesen, vollzieht der mittlerweile 28-Jährige eine Kehrtwende: Foreman hängt die Boxhandschuhe an den Nagel und wird Pfarrer der „Church of the Lord Jesus Christ“, einer Pfingstler-Kirche in Houston, und widmet fortan seine gesamte Aufmerksamkeit seiner Familie, seiner Gemeinde und seinem Glauben. Er schwört, fortan nur noch für Gott zu kämpfen, und beginnt, auch außerhalb der Kirche an Straßenecken zu predigen. „Er würde auch sein Auto in der Mitte der Straße stoppen, die Bibel zücken und anfangen zu predigen“, erzählt Foremans Bruder Roy, der in den 1970er Jahren die Geschäfte seines Bruders abseits des Boxens verwaltet hatte und dafür von George fürstlich entlohnt wurde.
Mehrere unglückliche Investitionen hatten jedoch dazu geführt, dass Roy in den frühen 1980er Jahren so gut wie pleite war. Er und seine Frau trennten sich. Roy zog zurück ins Haus seiner Mutter und begann in einem heruntergekommenen Trainingsraum der Kirchengemeinde Kindern Boxunterricht zu erteilen. Die Prediger hatten Roy den Raum unter der Bedingung überlassen, dass er, sofern er jemals Beiträge oder Gebühren von den Kindern einsammeln würde, das Geld der Kirche übergebe. „Roy hat nie selbst geboxt“, erinnert sich George Foreman, „aber vom Herumhängen mit mir in all den Jahren hat er genug gelernt, um ein guter Lehrer zu sein.“
Schlüsselerlebnis für George Foremans wohltätiges Engagement
Als George eines Tages seinem Bruder einen aufmunternden Besuch abstattete, kam es zu einer schicksalhaften Begegnung. In seiner Autobiografie „By George“ erinnert sich Foreman: „Als ich dort ankam, arbeitete Roy mit den Kindern im Ring, und einige Mütter waren damit beschäftigt, die Anmeldungen für ihre Jungen auszufüllen. Eine junge Mutter muss mich erkannt haben. Sie dachte wohl, George Foreman, der ehemalige Weltmeister, sei vielleicht in der Lage, ihrem Sohn zu helfen, nicht auf die schiefe Bahn zu gelangen.“
Doch aus Rücksicht auf seine Gemeinde wollte der Ex-Weltmeister und Pfarrer mit Boxen nichts mehr zu tun haben. Als George zwei Monate später seinen Bruder Roy beiläufig nach dem Sohn dieser Frau fragte, erfuhr er, dass das Kind mit einem Freund einen Laden überfallen und den Besitzer niedergeschossen hatte und nun im Gefängnis saß. „Ich fühlte mich schwer erschüttert und konnte nicht schlafen“, erinnert sich Foreman. „Ich war zerrissen und schämte mich, weil ich nichts getan hatte und mir dieser Junge ‚durch die Finger gerutscht‘ war.“
An diesem Tag beschließen die Foreman-Brüder, dass so etwas nicht noch einmal vorkommen soll. Mit Geld aus seinem Pensionsfonds gründet Foreman eine Stiftung und kauft eine verlassene Lagerhalle unweit der Church of the Lord Jesus Christ. Er lässt sie renovieren und stattet sie mit Hanteln und Gewichten, Boxhandschuhen sowie einem Basketballplatz aus. Von seiner Ranch in Marshall schafft er noch einen Boxring herbei. Das „George Foreman Jugend- und Gemeindezentrum“ entsteht. Hier können Jung und Alt zusammenkommen, entspannen oder Sport treiben. Die symbolisch zu verstehende Mitgliedsgebühr beträgt einen Dollar im Jahr.
Rückkehr in den Boxring im Dienste der guten Sache
Das Zentrum wird schnell zu einer gut besuchten, sicheren Zufluchtsstätte. Bis eines Tages Ed Wallaceson, Rechtsanwalt und Finanzverwalter von George Foreman, die Hiobsbotschaft überbringt: „George“, sagte er, „es ist toll, dass Sie versuchen, Menschen zu helfen. Aber ich muss Ihnen sagen, Sie werden zur traurigsten Gestalt der Boxgeschichte, seit Joe Louis draußen am Caesars Palace steht und Hände schüttelt. Sie können es sich nicht leisten, diesen Ort aufrechtzuerhalten. Sie werden sich zurückziehen müssen.“
Von jetzt auf gleich steht George Foreman vor der vielleicht schwersten Entscheidung seines Lebens: Das Geld für die College-Ausbildung seiner Kinder anbrechen – tabu. Doch auch die Schließung des Jugend- und Gemeindezentrums stellt für den inzwischen 38-Jährigen keine Alternative dar. Zu wichtig ist die Arbeit, die dort geleistet wird. „Diese Kinder brauchen mich, und ich werde sie nicht im Stich lassen“, schwört Foreman. Der Ausweg aus der Misere: das Comeback im Boxring. „Ich werde wieder Schwergewichts-Champion der Welt sein“, verkündet Foreman und nimmt das Training wieder auf.
Nach zehn Jahren Ringpause ist George Foreman zurück in die Weltspitze
In zehn Jahren Ringpause hat er Rost angesetzt. Für einen Sieg beim Comeback gegen Steve Zouski reicht es trotzdem. In der Folge knöpft sich „Big George“ durchschnittlich einmal im Monat einen Gegner von überschaubarer Qualität vor. Um wieder ein Gespür fürs Boxen zu bekommen und sich in den Ranglisten der Weltverbände nach oben zu arbeiten. Der Fleiß wird belohnt: 1991 eröffnet sich ihm tatsächlich die Chance auf einen erneuten „Title-Shot“. Im Convention Center von Atlantic City steigt Foreman gegen Evander Holyfield, den Weltmeister der drei großen Boxverbände WBC, WBA und IBF, in den Ring. Für viele Experten überraschend, schlägt sich der inzwischen 42-Jährige überaus wacker. Er zwingt den 13 Jahre jüngeren Kontrahenten über die volle 12-Runden-Distanz. Der einstimmige Punktsieg für Holyfield täuscht nicht darüber hinweg: George Foreman ist zurück in der Weltspitze!
Mega-Fight gegen Mike Tyson kommt nicht zustande
Sein nächstes großes Ziel, ein Kampf gegen Mike Tyson, kommt jedoch nicht zustande, da Tyson 1992 wegen Vergewaltigung zu sechs Jahren Haft verurteilt wird. Stattdessen darf Foreman 1993 gegen Tommy Morrison um den vakanten Titel des kleineren Weltverbandes WBO boxen. Auch dieser Fight geht über die volle Distanz und endet für Foreman mit einer deutlichen Punktniederlage.
Bedeutet dies das Aus für seine wohltätige Arbeit? Keineswegs. Denn schon 1989 beginnt Foreman, während er sein Comeback im Ring vorantreibt, seinen Namen und sein Gesicht zu vermarkten. Er macht für alles Werbung, womit Geld zu verdienen ist: Auspuff-Anlagen, Chips, Sportschuhe und Grills. Zu diesem Zweck legt er sich für die Öffentlichkeit außerdem ein neues Image zu. Es ist die Geburtsstunde der Werbefigur des lieben „Onkel George“, des lächelnden, freundlichen und stets gut gelaunten George Foreman.
Ein Wandel, der sich schließlich bezahlt macht. Die „George Foreman Lean Mean Fat-Reducing Grilling Machine“, ein Elektrogrill für fettreduziertes Grillen, wird weltweit zum Kassenschlager und macht George Foreman zum Multimillionär. Mit 40 Prozent am Verkauf jedes Fleischbrutzlers beteiligt, fließen monatlich bis zu 4,5 Millionen Dollar auf das Konto des Ex-Champs. So lange, bis der Grillhersteller Salton Inc. im Dezember 1999 für 137,5 Millionen Dollar die Rechte an Namen und Bild des erfolgreichen Testimonials erwirbt.
George Foreman kehrt auf den Schwergewichts-Thron zurück
Die Motivation, es auch im Seilgeviert noch einmal zu packen, lässt Foreman auch nach den beiden vertanen Titelchancen nicht los. Was ihm nicht vergönnt war – Evander Holyfield die Titel abzuknöpfen – gelingt 1997 schließlich einem anderen, nämlich Michael Moorer. Gegner in dessen erster Titelverteidigung: der nicht an der Spitze der Weltranglisten geführte und mittlerweile 45-jährige „Box-Opa“ George Foreman.
Was aufgrund der Prominenz und des Alters des Herausforderers wie ein lukratives Geschäft mit überschaubarem Risiko für Moorer aussieht, entpuppt sich hinterher für den Titelverteidiger als Fiasko. In Runde zehn erschüttert der auf den Punktzetteln hoffnungslos zurückliegende Foreman seinen Gegner mit einem Schlag ans Kinn, der Moorer zu Boden schickt. Der 5. November 1994 geht in die Box-Geschichte ein. Mit diesem historischen Sieg stellt Foreman gleich drei Bestmarken auf: Er ist nicht nur der älteste Schwergewichtsweltmeister aller Zeiten, sondern bricht außerdem den Rekord für den längsten Zeitraum zwischen dem ersten und zweiten Gewinn der WM-Krone. Und obendrein war nie zuvor der Altersunterschied in einem WM-Kampf im Schwergewicht so groß wie an diesem Abend in der Grand Garden Arena von Las Vegas.
Karriereende mit 48 Jahren – erneutes Comeback ausgeschlossen
Drei Jahre später beendet George Foreman nach einem Duell mit Landsmann Shannon Briggs seine Boxkarriere im Alter von 48 Jahren mit einem Kampfrekord von 76 Siegen – davon 68 durch K.o. – und fünf Niederlagen. Seitdem ist er bei Boxveranstaltungen nur noch außerhalb es Rings anzutreffen, als Ehrengast oder als TV-Experte. Einen 1999 angesetzten Kampf gegen Larry Holmes sagt der da schon 50-Jährige ebenso ab wie ein für seinen 55. Geburtstag angekündigtes Comeback, bei dem er ursprünglich den Beweis antreten wollte, dass das Alter von 55 Jahren „noch lange kein Todesurteil“ ist.
Man munkelt, der Grund für die Absage sei das Veto seiner Frau Joan gewesen, mit der Foreman sieben Kinder, fünf Söhne – George Jr., George III („Monk“), George IV („Big Wheel“), George V („Red“) und George VI („Little Joey“) – und zwei Töchter, Natalia und Leola, hat. Die fünf Jungen heißen alle wie der Vater. „So wissen sie immer, wo sie herkommen“, lacht Foreman. Den Kinderreigen, zu dem auch drei weitere Töchter aus einer anderen Beziehung gehören, komplettieren die beiden Adoptivtöchter Isabella Brandie Lilja und Courtney Isaac sowie mittlerweile mehrere Enkelkinder.
Wenn die ganze Familie zusammenkommt, ist mächtig was los auf dem Familienanwesen in Houston. Und so wird es auch heute wieder sein, wenn die Boxlegende ihren 75. Geburtstag feiert.
Text: Andreas Ohlberger