SES-Schwergewicht Agit Kabayel gehörte beim vorweihnachtlichen Mega-Event „Day of Reckoning“ zu den großen Gewinnern. Jetzt eröffnen sich dem Bochumer plötzlich ganz neue Möglichkeiten.
In Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad war alles vorbereitet. Die Fight-Card beim „Day of Reckoning“ am 23. Dezember schürte die Hoffnung auf hochklassige, spektakuläre Kämpfe. Und diese Erwartungen wurden nicht enttäuscht – auch weil längst nicht alle Duelle im Ring so endeten, wie im Vorfeld prognostiziert. So zeigte Deontay Wilder eine enttäuschende Leistung und verlor gegen Joseph Parker einstimmig nach Punkten. Dieser Kampf wirft Fragen über Wilders Zukunft im Schwergewicht auf. Ob Mark de Mori nach seiner Erstrundenniederlage gegen Filip Hrgovic überhaupt eine hat – völlig offen. Doch für die größte Überraschung sorgte einen Tag vor Heiligabend in der Kingdom Arena in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad Agit Kabayel. Im bisher größten Kampf seiner Karriere besiegte der SES-Schwergewichtler den Russen Arslanbek Makhmudov durch Technischen K.o. in der vierten Runde. Kabayel setzte sich souverän gegen den bis dahin ungeschlagenen Russen durch und bestätigte seine Position als ernsthafter Anwärter auf einen WM-Kampf.
Überlegender Underdog
Als klarer Außenseiter – Kabayel hatte Makhmudov vor dem Kampf als „Monster“ bezeichnet – in den Ring gestiegen, bewies der Deutsche von Beginn an Mut und taktisches Geschick. Trotz seiner Reichweiten- und Gewichtsnachteile zeigte er eine beeindruckende Variabilität und eine ausgefeilte Beinarbeit. Kabayel dominierte den Kampf mit präzisen und wirkungsvollen Körpertreffern, die ihm schließlich den Sieg sicherten. Der entscheidende Moment des Kampfes ereignete sich in der vierten Runde, als Kabayel Makhmudov mit einem harten Körperhaken zu Boden schickte. Von diesem Schlag erholte sich der Russe nicht mehr. Nach einer weiteren Serie von Treffern des SES-Fighters musste der Ringrichter den Kampf abbrechen, als Makhmudov zum dritten Mal zu Boden ging.
„Ich bin mehr als stolz auf den Jungen, Agit hat sich genau an unseren Plan gehalten“, sagte sein Trainer Sükrü Aksu. „Als ich ihn nach der zweiten Runde fragte, wie hart Makhmudov schlage, kam nur: nicht besonders. Und dann habe ich ihm gesagt, er soll angreifen. Das hat er punktgenau umgesetzt.“
„Ich habe wahrscheinlich die Welt geschockt“, sagte Agit Kabayel in einem Interview nach dem Kampf. Der Erfolg gegen Arslanbek Makhmudov, den stärksten Gegner seiner bisherigen Karriere, markiert einen Meilenstein in der Laufbahn des Bochumers. Der für seine Schlagkraft bekannte Russe galt bis dahin als potenzieller Weltmeister. Doch stattdessen kann nun Kabayel mit gestärktem Selbstvertrauen in die Zukunft blicken. Um seine gestiegenen Ambitionen zu unterstreichen, legte der 31-Jährige Anfang Januar auch seinen EBU-Europameistertitel nieder.
Ranglisten Aufstieg für Kabayel
Sein beeindruckender Sieg in Riad blieb auch bei den Weltverbänden des Profiboxens nicht unbemerkt. Es war klar, dass Kabayel nach dieser Leistung in der Weltrangliste nach oben klettern würde. Am 14. Januar gab es dann das erste Ergebnis schwarz auf weiß: Der WBC veröffentlichte sein neues Schwergewichts-Ranking, in dem Kabayel nun auf Platz vier geführt wird – so hoch wie noch nie in einem der vier großen Weltverbände. Zum Vergleich: Die IBF und WBA führt ihn auf Platz acht, die WBO sogar nur auf Rang 13.
Die Chancen auf einen großen Titelkampf im kommenden Jahr sind gestiegen. Kabyel feierte in Saudi-Arabien seinen 24. Sieg im 24. Profikampf, den 16. durch Knockout. Die Zukunft des Hoffnungsträgers aus dem Ruhrpott sieht vielversprechend aus. Nach seinem Erfolg gönnte sich Kabayel über den Jahreswechsel erst einmal eine wohlverdiente Pause. Zurück im Training will er sich auf die nächsten Herausforderungen im Boxring vorbereiten. Agit Kabayel – diesen Namen müssen sich die Top-Promoter im Schwergewichtsboxen nach der Nacht von Riad in ihren Notizbüchern doppelt unterstreichen. Mit diesem Mann ist zu rechnen.
Text von Andreas Ohlberger