Sarah Liegmann – aus der Ringecke: Post-Fight Depression

Bevor ich loslege: Ich freue mich sehr, dass du hier bist, um meine Kolumne zu lesen. Es wird chaotisch, lustig, aber hauptsächlich 100 Prozent echt. Ich werde von vielen Anekdoten und Erfahrungen aus dem Boxen berichten, aber dir auch spannende Insights in meinen alltäglichen Wahnsinn geben. Und jetzt heißt es: Ring frei!

Am 26. April verteidigte Sarah Liegmann (r.) in Meckenehim ihren WM-Titel der WBF gegen Liliana Martinez nach Punkten. (Foto: imago-images / Wolter)

Wieder einmal konnte ich ein langes und hartes Trainingslager mit einem Sieg beenden. Der Stress und der Druck fallen von einem ab und man kann nach langer Zeit wieder richtig durchatmen. Trotz all der positiven Aspekte nach einem Kampf glaube ich fest daran, dass wir Boxer oft an einer „Post-Fight Depression“ leiden. Einige Trainingspartner haben mir schon von ihrem emotionalen Zustand kurz nach einem Kampf berichtet und auch ich merke die Veränderung.

Die Fight Night ist der große Höhepunkt – in diesen Kampf steckt man alles. Wenn man ihn gewinnt, hat man noch in der Nacht das Gefühl, die Welt erobern zu können. Eine Mischung aus Adrenalin, Dopamin, Endorphinen etc. führt zu diesem besonderen „Hochgefühl“. Man ist umgeben von Familie, Freunden und Fans, die einem gratulieren und die Stimmung und Emotionen hochhalten.

Antriebslosigkeit, Müdigkeit und Stimmungstiefs

Noch am nächsten Tag häufen sich die Meldungen in den sozialen Netzwerken und die Presse bittet um Interviews. Doch dann wird es plötzlich still. Man kehrt zurück in den „normalen“ Alltag. Etwas, das wir Spitzensportler nicht gewohnt sind. Es kommt zu einem regelrechten Hormonabsturz – vergleichbar mit einem Tief nach einem Drogenrausch. Dieser Absturz führt häufig zu Antriebslosigkeit, Müdigkeit und Stimmungstiefs. Auch unser Stresssystem ist nach der langen Zeit und den aufregenden Tagen der Fight-Week oft überlastet und erschöpft. Im Fachjargon spricht man im Extremfall von einem Burnout. Davon sind wir Athleten nach einem solchen Kampf natürlich weit entfernt, aber auch wir erleben Symptome von innerer Leere, Reizbarkeit und Müdigkeit.

Es mag sich zunächst schön anfühlen, ohne Druck ins Training zu gehen und den Muskelkater und einige Baustellen der vergangenen Wochen auszukurieren, aber plötzlich, nach ein paar Tagen ohne Sport, fehlt es einem doch: das Auspowern, das Messen mit anderen und das tägliche Besserwerden. Das nächste Ziel ist gerade erreicht und nun stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? Worauf will ich als nächstes hinarbeiten? Langfristige Ziele hat man vor Augen, aber die kleinen Schritte dorthin und die Zwischenziele müssen immer wieder neu definiert und erarbeitet werden.

So ist es ganz normal, dass man nach einem Hoch wieder in ein Tief fällt. Wichtig ist, dass man selbst weiß, dass dies nur eine vorübergehende Phase ist und man die Zeit nach dem Kampf trotz Stimmungsschwankungen genießen sollte. Dinge tun, für die man sonst keine Zeit hat, in den Urlaub fahren oder generell Zeit mit Freunden und Familie verbringen. Kaum hat man sich auf die schöne Ruhephase eingelassen, ist sie auch schon fast wieder vorbei, plötzlich geht alles wieder von vorne los, man ist im Lager und hat den nächsten Kampf vor sich.

Sarah Liegmann

Sarah Liegmann wurde am 26. Januar 2002 in Bonn geboren. Die Federgewichtlerin boxt seit 2021 als Profi, trainiert und lebt in Deutschland und in den USA. Liegmann alias „The Princess“ ist amtierende WBC-Junioren-Championesse. Zudem sicherte sich die frühere Kickboxerin den WM-Gürtel des Verbandes WBF.

Webseite: princess-boxing.de
YouTube: Sarah Liegmann
Instagram: sarahliegmann
Facebook: sarah.liegmann

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