Michael Müller, DBV-Sportdirektor, wirft im exklusiven BOXSPORT-Interview einen kritischen Blick zurück auf die Olympiaqualifikation der DBV-Athleten – und erklärt, was sich ändern muss, um in Zukunft erfolgreicher zu sein.
Herr Müller, Sie waren Ende Mai mit der Staffel des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV) beim zweiten Weltqualifikationsturnier in Bangkok. Auf welche Rahmenbedingungen sind Sie und die Sportler dort getroffen?
Michael Müller: Dem thailändischen Boxverband muss man ein großes Kompliment machen, ebenso der „Paris Boxing Unit“ des IOC, dem eigentlichen Veranstalter dieser Weltqualifikation für die Olympischen Spiele. Es war ein hervorragend organisiertes Turnier – und das größte, das jemals im olympischen Boxen durchgeführt worden ist: 573 Teilnehmer gingen in Bangkok an den Start, dazu waren insgesamt 610 Trainer, Funktionäre und Betreuer vor Ort.
Sportlich dagegen konnte der DBV seine Ziele in Bangkok nicht erreichen, von elf angetreten Boxern löste keiner ein Olympiaticket. Woran lag es?
Wir werden das exakt analysieren. Dem möchte ich jetzt nicht vorgreifen und kann deshalb nicht zu sehr ins Detail gehen. Aber das Abschneiden ist zunächst einmal enttäuschend. Wir haben uns mehr erhofft; ein bis zwei oder sogar drei Qualifikationen für Paris wären aus meiner Sicht realistisch gewesen. Doch wir hatten da auch personelle Ausfälle zu verkraften. So fiel mit Magomed Schachidov kurzfristig unsere „Top-Chance“ aus, in seiner Gewichtsklasse gab es fünf Qualifikationsplätze. Doch aus privaten Gründen war Magomed nicht in der Lage, in Bangkok anzutreten. Damit waren es realistisch noch maximal zwei bis drei Athleten, die ein Olympiaticket hätten lösen können. Und da nehme ich Denis Bril nicht mit rein.
Der Kölner Denis Bril kam in Bangkok von allen DBV-Startern am weitesten, erreichte in der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm das Viertelfinale.
Seine Leistung in der Weltquali war eine freudige Überraschung und ein Verdienst unseres Cheftrainers Eddie Bolger, der Denis überzeugt hat, es ruhig zu probieren. Denis ist 20 Jahre jung und wollte sich erst für die Spiele 2028 vorbereiten, jetzt zunächst sein Studium forcieren. Somit stand er nicht in der Verantwortung der Qualifikation. Dagegen haben jene, die liefern sollten, die Erwartungen nicht erfüllt.
Leonie Müller und Stefanie von Berge, beide im Weltergewicht zu Hause, wollten im Vorfeld ihre Teilnahme in Bangkok per einstweiliger Verfügung durchsetzen. Was war passiert?
Beide Konkurrentinnen haben gegen den DBV geklagt. Doch das Landgericht Kassel hat entschieden, dass die Nominierungskriterien des DBV ein absolut faires und korrektes System bilden, und beide Anträge sowie alle Hilfsanträge der Athletinnen zurückgewiesen. Unser Verfahren sieht Folgendes vor: Sind mehrere Sportler in den rechnerischen Leistungen gleichauf – wie es zum Beispiel bei den Superschwergewichtlern Nikita Putilov und Nelvie Tiafack schon der Fall war –, entscheidet der Cheftrainer. Und Eddie Bolger hatte sich mit einem Tick Vorsprung für Leonie Müller ausgesprochen.
Doch dann schied Leonie Müller in Bangkok gleich in ihrem ersten Kampf aus.
Eines vorweg: Wer zu solchen Mitteln greift, seinen Verband zu verklagen, von dem erwarte ich ein entsprechendes Auftreten im Wettkampf, mit absoluter Willenskraft und hoher Entschlossenheit. Leonie Müller gewann in Bangkok gegen die Usbekin Navbakhor Khamidova die erste Runde klar und deutlich. Die Trainer gaben ihr darauf klare taktische Anweisungen. Doch in Runde zwei hat sie ein unerklärliches Verhalten gezeigt und die taktischen Vorgaben nicht umgesetzt. Die Sache kippte dann, am Ende werteten die Kampfrichter 2-3 gegen Müller. Sie hat die Erwartungen, die sie durch ihre Klage auch an sich selbst gestellt hat, nicht erfüllen können. Die Usbekin gewinnt die nächsten beiden Kämpfe 5:0 und qualifiziert sich für Olympia. Dies war unsere beste Qualichance in diesem Turnier.
Wäre also Stefanie von Berge sportlich die bessere Wahl gewesen?
Ich stehe hundertprozentig ….
Das komplette Interview – geführt von Frank Schwantes – findet ihr in der aktuellen Boxsport-Ausgabe, ab jetzt nur noch in der App verfügbar.