Es sollte einer der größten Abende im Frauenboxen werden. Doch statt eines packenden WM-Fights zwischen Amanda Serrano und Nina Meinke gab es eine bittere Absage, die Fragen aufwirft.
Nina Meinke gegen Amanda Serrano oder „The Brave“ vs. „The Real Deal“ hieß der WM-Kampf, welcher am 3. März in Puerto Rico stattfinden sollte. Serrano (46-2-1, 30 K.o.) wollte ihre Gürtel der Verbände WBA, WBO, IBF und IBO aufs Spiel setzen, für Meinke (18-3, 4 K.o.) wäre es der größte Kampf ihrer Karriere gewesen. Die Box-Gala von Jake Pauls „Most Valuable Promotion“ (MVP) nahm zunächst einen ganz normalen Lauf. Von Kampf zu Kampf füllten sich die Ränge im „Coliseum San Juan“, und es wurde immer lauter. Spätestens nach dem schnellen Knockout von Boxer und Influencer Jake Paul, der seinen Gegner im vorletzten Duell des Abends zügig auf die Matte schickte, war alles bereit für den großen Showdown.
Doch genau in dem Moment, als alles angerichtet war, trat Amanda Serrano mit Sonnenbrille in den Ring – und verkündete, dass der Main-Fight ausfällt. „Ich bin gekommen, um zu kämpfen und eine Show für euch zu machen“, beteuerte der Pound-for-Pound-Star. „Ich habe alles für euch gegeben, ich habe alles für euch aufs Spiel gesetzt. Es tut mir aus tiefstem Herzen leid.“
Ein äußerst bitterer Moment für Nina Meinke, hatte sich die Federgewichtlerin aus Berlin wochenlang auf dieses Duell vorbereitet. „Ich bin in der Form meines Lebens“, sagte Meinke kurz nach der Absage des WM-Kampfs. Der Frust, der die 31-Jährige und ihre Teammitglieder aus dem P2M-Stall gepackt hatte, wich dann schnell in eine Art Zweckoptimismus. „Ich hoffe, dass sich Amanda schnell erholt und wir einen neuen Termin finden“, erklärte Meinke kämpferisch. „Ich bin bereit, wenn du es bist.“
Farce um Augenverletzung
Nur, ist Serrano das? In einer Pressemitteilung von MVP, die noch am Abend der Absage veröffentlicht wurde, heißt es: „Amanda Serrano wurde von der puerto-ricanischen Boxkommission (PRBC) aufgrund einer gestern erlittenen Augenverletzung für untauglich erklärt, heute Abend zu kämpfen.“ Jordan Maldonado, Serranos Manager, führte die Situation auf ein Haargel zurück, das mit Serranos Auge in Berührung kam und angeblich eine Allergie auslöste. Doch Aussagen des medizinischen Direktors der PRBC stellen diese Erklärung auf den Kopf.
Jose Luis Fossas Blanco sagte gegenüber der puerto-ricanischen Zeitung „El Nuevo Dia“, Serrano habe vor dem Kampf gegen Meinke eingeräumt, mental nicht bereit zu sein. Zudem sei bei der Untersuchung in der Umkleidekabine festgestellt worden, dass das Auge der Championesse keine Anzeichen für fremde Substanzen aufwies. „Ich überprüfte ihre Pupillen; Amanda reagierte sehr gut. Der weiße Teil ihres Auges war sehr klar. Es sah nicht wie ein giftiges Auge aus“, äußerte Blanco und führte aus: „Nachdem ich ihr lange Fragen gestellt und sie untersucht hatte, sagte ich zu ihr: ,Komm her, Amanda. Auf einer Skala von eins bis zehn – wie fühlst du dich mental, um in den Ring zu steigen und dich mit einer hochrangigen Kämpferin zu messen?‘ Und sie sah mich an und gab mir zu verstehen, dass sie in diesem Moment mental nicht bereit war.“
Stellt sich dennoch die Frage: Warum erfuhr das Team von Meinke erst eine Stunde vor dem eigentlichen Kampfbeginn von der Absage, wenn die angebliche Verletzung am Auge Serranos schon am Tag zuvor bekannt war? Es scheint auf der Hand zu liegen, dass Jake Paul nicht in einem halbleeren Coliseum kämpfen wollte, welches es bei einer vorzeitigen Absage des Main-Fights sicherlich gegeben hätte.
„Ein großer Schock“
Für Nina Meinke hätte es eine perfekte Reise in die Karibik werden können. Zwei Tage nach dem geplatzten Titelkampf feierte „The Brave“ mit der Familie ihren 31. Geburtstag in Puerto Rico. Nachdem die Feierlichkeiten beendet waren, gab die WM-Herausforderin Einblick in ihre Gefühlswelt.
„Ich muss ehrlich sagen, dass der Ausgang dieses Abends ein richtiger Schock war. Ich bereite mich als Boxerin natürlich auf alle möglichen Szenarien vor, aber nicht auf so etwas“, gestand Meinke. Und stellte klar: „Das lässt mich bis heute nicht los und wird mich auch nicht loslassen, bis wir beide im Ring stehen. Dieser Kampf steht mir zu!“ Sie habe durch die zwölfwöchige Vorbereitung auf Weihnachten, Silvester, Familie und Freunde und vieles mehr verzichtet. „Ich bin um die halbe Welt gereist, habe mich eingeschlossen, um in Top-Form zu kommen. Ich habe Amanda etwas versprochen und mein Wort gehalten. Jetzt erhoffe ich mir von den Verbänden und Promotern, dass auch sie ihr Wort halten. Denn ich will diesen Kampf.“
Kay Huste war von den Ereignissen in San Juan ebenso angefasst. Doch genau wie seine Boxerin gab sich auch Meinkes Coach kämpferisch: „Meine Gefühlslage? Immer noch nicht greifbar und sprachlos. So was habe ich noch nie erleben müssen.“ Besonders mit seinem Schützling fühlt er mit. „Nina ist zwölf Wochen durch die Hölle gegangen. Gerade die Sparringsphase in der Dominikanischen Republik hatte es echt in sich!“ Nina sei top vorbereitet gewesen und die WM-Titel unbedingt nach Deutschland holen wollen. „60 Minuten vor dem Kampf abzusagen ist eine echt bittere Pille für Nina und das gesamte Team, auch für die Zuschauer in der Halle und die Fans zu Hause.“
Meinke vs. Serrano: Nachholtermin im Juli?
Nina Meinkes Promotor Axel Plaß sah das ähnlich. „Nina ist in der Form ihres Lebens! Darum tut eine solche Absage besonders weh“, erklärte der P2M-Chef. „Amanda Serrano tut gut daran, sich möglichst schnell auf einen neuen Fight gegen Nina zu einigen, um so alle möglichen Spekulationen aus dem Weg zu räumen.“ Für alle Fans, die extra mit nach Puerto Rico gereist waren, um Nina Meinke zu unterstützen, hat sich der Hamburger Stall ein besonderes Trostpflaster einfallen lassen. Wer ein Coliseum-Ticket vorlegen kann, erhält eine VIP-Einladung für eine der diesjährigen P2M-Boxgalas.
Aktuell steht noch nicht fest, ob beziehungsweise wann das Duell nachgeholt wird. P2M-Sportdirektor Christian Morales versicherte gegenüber BOXSPORT, dass man „alles für diesen Kampf geben“ werde. Nach wie vor ist Meinke die Pflichtherausforderin von Serrano, und die IBF äußerte bereits, dass die Puertoricanerin ihren nächsten Kampf auf jeden Fall gegen die Deutsche austragen muss. Am 20. Juli wird Jake Paul bei einem Mega-Showkampf gegen den ehemaligen Box-Superstar Mike Tyson in den Ring steigen. Bleibt zu hoffen, dass Meinke und Serrano spätestens dann im AT&T Stadium von Dallas (USA) als Co-Main-Event ihr „Unfinished Business“ zu Ende bringen können.
Text von Robin Josten