Sarah Liegmann – Aus der Ringecke: Chaos im Gym

Bevor ich loslege: Ich freue mich sehr, dass du hier bist, um meine Kolumne zu lesen. Es wird chaotisch, lustig, aber hauptsächlich 100 Prozent echt. Ich werde von vielen Anekdoten und Erfahrungen aus dem Boxen berichten, aber dir auch spannende Insights in meinen alltäglichen Wahnsinn geben. Und jetzt heißt es: Ring frei!

Eigentlich dachte ich, ich hätte im Boxsport schon alles erlebt – doch am vergangenen Donnerstag (27. Februar) wurde ich eines Besseren belehrt.

Wie jeden Morgen war ich mit meinem Coach John um 10 Uhr in der Halle verabredet. Pünktlichkeit ist für mich eine Selbstverständlichkeit und so war ich bereits um 9.50 Uhr vor Ort. Normalerweise ist um diese Zeit schon ein junger Mann da, der für sich trainiert, so dass ich nie vor der Tür warten muss. Doch als ich am Eingang ankam, fiel mir sofort ein Zettel an der Tür auf: „Gym will be closed until further notice.“ Zuerst war ich entspannt – ich dachte, dass vielleicht nur die Gruppenstunden wegen Krankheit oder ähnlichem ausfallen würden. Doch gegen 10 Uhr bekam ich eine Nachricht von einem meiner Trainingspartner: Er wollte wissen, ob mein Trainer und ich schon in der Halle seien und ob sie wirklich geschlossen sei. Ich sagte ihm, dass unser Training wie geplant stattfinden würde – zumindest war das der Plan…

Vor verschlossenen Türen

Fünf Minuten später war John endlich da. Er ließ sich von dem Zettel an der Tür nicht beirren, griff in seine Tasche und holte seinen Schlüssel heraus. Das Problem: Der Schlüssel funktionierte nicht mehr. Das Schloss musste über Nacht ausgetauscht worden sein. Ich rief sofort meinen Co-Trainer an, mit dem ich vorher telefoniert hatte – er hatte für 10:30 Uhr ein Sparring mit mehreren Jungs angesetzt. Vielleicht wusste er mehr oder hatte sogar einen neuen Schlüssel. Als ich ihm die Situation erklärte, zögerte er keine Sekunde und rief den Besitzer an.

Kurz darauf meldete er sich zurück und bestätigte, dass das Gym tatsächlich vorerst geschlossen sei. Warum, verriet er mir nicht – und wie lange es geschlossen bleiben würde, konnte zu diesem Zeitpunkt auch keiner sagen. John und ich überlegten, in ein anderes Gym auszuweichen, doch da er nur bis 12 Uhr Zeit hatte, wäre das kaum noch machbar gewesen. Glücklicherweise konnte mein Co-Trainer kurzfristig eine andere Sporthalle für sein Sparring organisieren, so dass ich mich ihm anschließen konnte. John machte sich leicht verärgert auf den Heimweg, während mich mein anderer Coach abholte. Auf der Autofahrt erzählte er mir dann, was in den letzten 24 Stunden passiert war.

Gereizte Stimmung im Gym

Das Gym ist – mehr oder weniger – ein Familienbetrieb. Der Vater besitzt das Gebäude, sein Sohn war Manager und Trainer. Doch am Abend zuvor muss es zwischen den beiden zu einem so heftigen Streit gekommen sein, dass der Vater seinen Sohn kurzerhand vor die Tür setzte und aus Wut die Schlösser auswechseln ließ. Inmitten dieses emotionalen Chaos hatten sie offenbar völlig vergessen, den anderen Bescheid zu geben… Oder fühlte sich einfach keiner verantwortlich? Für mich ein absolutes No-Go! So blieb die Halle geschlossen, bis ein neuer Manager gefunden und neue Schlüssel für alle Trainer erstellt waren. Die Stimmung war dementsprechend angespannt – vor allem bei denen, die von weit her angereist waren. Einer der Jungs war zwei Stunden zum Sparring angereist und stand plötzlich ohne Vorwarnung vor verschlossenen Türen. Zum Glück fanden wir ein „Box-Asyl“ und konnten, wenn auch mit Verspätung, doch noch trainieren.

Zuerst dachten wir alle, das Drama würde Wochen dauern. Aber schon am nächsten Tag konnten John und ich wieder normal trainieren. Der Besitzer verteilte so schnell wie möglich neue Schlüssel an alle – vermutlich wollte er sich weiteren Ärger ersparen. Schon am Samstag lernte ich den neuen Gym-Manager kennen, der aus dem Trainerteam hervorgegangen war. Er machte einen sympathischen und engagierten Eindruck. Hoffen wir mal, dass das so bleibt.