Bevor ich loslege: Ich freue mich sehr, dass du hier bist, um meine Kolumne zu lesen. Es wird chaotisch, lustig, aber hauptsächlich 100 Prozent echt. Ich werde von vielen Anekdoten und Erfahrungen aus dem Boxen berichten, aber dir auch spannende Insights in meinen alltäglichen Wahnsinn geben. Und jetzt heißt es: Ring frei!
Sollte es im Frauenboxen eine dritte Minute geben? Dies ist aktuell ein sehr umstrittenes Thema, welches immer und immer wieder aufkommt. Viele Frauen wollen durch die Änderung mehr Aufmerksamkeit auf ihre Leistung ziehen und beweisen, dass es keine Abgrenzung zwischen Männern und Frauen im Boxen geben sollte, sondern wir alle gleich sind – hochprofessionelle Athleten.
Die Hoffnung ist groß, durch die dritte Minute und insgesamt 12 Runden ähnliche Paydays wie die Männer zu erzielen. Aber ist das überhaupt realistisch? Ich selber sehe das als eher unrealistisch. Schaut man auf die bestbezahlten Boxerinnen, so reden wir nicht von mehreren Millionen pro Kampf, sondern maximal von mehreren hunderttausend Euro – wenn überhaupt. Ich selbst glaube leider nicht, dass der Wechsel von 20 auf 36 Minuten einen enormen finanziellen Unterschied machen würde. Bekannte Promoter ermöglichen dem Frauenboxen schon sehr viel und geben uns eine perfekte Plattform. Aber die großen Paydays werden für die Männer aufgespart.
Es ist auch ein Stück der Vergangenheit geschuldet. Die ersten Frauen durften beispielsweise erst im Jahr 2012 als Boxerinnen an den Olympischen Spielen teilnehmen, während das Männerboxen bereits im Jahr 1904 sein olympisches Debüt feierte. Das Frauenboxen ist leider immer noch sehr jung. Man muss nur in andere populäre Sportarten wie z. B. Fußball schauen, wo das Ganze ähnlich problematisch ist und kontrovers diskutiert wird.
Hohe Anfälligkeit für Gehirnerschütterungen
Finanziell wird es meiner Meinung nach nur zu einer minimalen Veränderung kommen. Für die Historie allerdings wird es ein großer Fortschritt sein. Als nächstes ist aber die Frage zu klären, ob man auf das WBC, das Studien gegen die 3-Minuten-Runden anführen, hören sollte. Diese Untersuchungen besagen, dass Frauen eine erhöhte Anfälligkeit für Gehirnerschütterungen oder sogar stärkere Hirnverletzungen im Gegensatz zu Männern haben. Meiner Meinung nach sollte aufbauend auf diesen Studien weiter geforscht werden, vielleicht sogar vermehrt Boxerinnen als Probandinnen herangezogen werden. Trotzdem sollte jede Boxerin die freie Wahl haben, unter welchen Bedingungen sie kämpft. Ich respektiere die Meinung des WBCs und behaupte, dass die Argumentation des Verbandes sehr ernst genommen werden muss.
Ich trainiere immer 3-Minuten-Runden – nur die letzten 4-5 Sparrings vor meinem Kampf gehe ich auf zwei Minuten runter, um wieder in den gewohnten Ablauf zu kommen. Viel würde sich für mich also nicht ändern, wenn ich mich auf einen Kampf mit 3-Minuten-Runden vorbereiten würde. Wenn es so kommt, ist mein Plan, mich wie am Anfang der Profikarriere schrittweise daran zu gewöhnen – erst sechs, dann acht Runden usw. Tatsächlich hat mein Team in letzter Zeit mehrere Kämpferinnen angefragt, einen solchen 6-Runder zu kämpfen – die Antwort lautete zu 90 Prozent „Nein“. Aus den Antworten konnte man häufig herauslesen, dass viele sich die drei Minuten nicht zutrauen oder keinen Sinn in der Änderung sehen, etwas zu tun, was keine Pflicht ist. Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht und ob sich die längeren Runden irgendwann durchsetzen werden.
Sarah Liegmann
Sarah Liegmann wurde am 26. Januar 2002 in Bonn geboren. Die Federgewichtlerin boxt seit 2021 als Profi, trainiert und lebt in Deutschland und in den USA. Liegmann alias „The Princess“ ist amtierende WBC-Junioren-Championesse. Zudem sicherte sich die frühere Kickboxerin den WM-Gürtel des Verbandes WBF.
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