Bevor ich loslege: Ich freue mich sehr, dass du hier bist, um meine neue Kolumne zu lesen. Ab heute wird dieses Format alle zwei Wochen bei BOXSPORT veröffentlicht. Es wird chaotisch, lustig, aber hauptsächlich 100 Prozent echt. Ich werde von vielen Anekdoten und Erfahrungen aus dem Boxen berichten, aber dir auch spannende Insights in meinen alltäglichen Wahnsinn geben. Und jetzt heißt es: Ring frei für die erste Story…
Trainingscamp in den USA, April und Mai 2023. Wie immer ging es für mich zu meinem Coach nach Florida, um genau zu sein, nach Hollywood Beach. Für das ganze Team standen wichtige Kämpfe an – Claressa Shields vs. Hannah Gabriels 2 und ich sollte auf der Undercard kämpfen, um meinen Step-up-Fight gegen Carisse Brown, eine erfahrene Amerikanerin und damals in meiner Gewichtsklasse die Nummer zwei der USA, zu bestreiten. Das Ganze sollte auf Wunsch von Claressa in ihrer Heimatstadt stattfinden.
Es ging also nach Detroit. Im Team haben wir schon zuvor immer mal darüber gewitzelt, wie es wäre, wenn die „two Germans“, wie meine Mutter und ich gerne von meinem amerikanischen Team genannt werden, auf einmal mitten im Ghetto stehen. Um ehrlich zu sein, mich schockt nichts mehr. Mein erstes Camp in Florida habe ich mit Kakerlaken und einem Loch in der Wand gelebt. Wenn schon Fight Camp, dann auf die harte Tour, oder?
Sechs Wochen haben Claressa und ich uns mit unserem Coach J.D. Jackson in Hollywood Beach vorbereitet, danach ging es dann die letzten zwei Wochen vor dem Kampf nach Detroit. Da meine Mutter und ich gerne einiges im Alleingang machen, haben wir uns ein Airbnb direkt zehn Minuten entfernt vom Gym gebucht. Das wusste zu dem Zeitpunkt noch keiner, die Köpfe von Management und Promoter rauchten, da Claressas Gegnerin plötzlich ausgefallen war.
Blut & Sirenen
Also waren wir auf dem Weg nach Detroit. Dass wir spät abends gelandet sind, und gegen Mitternacht erst im Haus waren, hat die ganze Umgebung nicht gerade idyllischer wirken lassen. Es war wie im Horrorfilm. Eine absolute „Ghosttown“. Am nächsten Tag habe ich die ersten wichtigen Anrufe gemacht, um die restlichen Tage des Camps abzuklären und weitere Infos über die Fight Week zu bekommen. Nachdem ich meinem Manager ungefähr erklärt hatte, wo wir wohnen, lief mein Handy heiß.
Erst Promoter, dann wieder Manager, dann Trainer, dann wieder Manager, ein ewiges Telefonieren. Fakt war, die Männer waren sich einig: „You´re not safe there“. Abgesehen von der Blutlache, die wir morgens auf dem Supermarktparkplatz gesehen hatten, und dem ständigen Sirenengeheul hatten wir zwei uns schon gut in unserem Haus eingelebt. Draußen alleine laufen gehen war schon mal nicht drin. VERBOTEN! – ein Zitat meines Coaches in unserem Chat: „(…)This neighborhood is very dangerous. Trust me, I´m keeping my black ass in the house, especially in the evening.”
Wir mussten also in Begleitung meines Coaches auf ein nahe gelegenes Universitätsgelände fahren, um auf einem Sportplatz laufen zu gehen. Nach einigen Tagen durften wir dann endlich alleine dort hin, da alles durch eine Pforte gesichert war und man genug Vertrauen in das Universitätsgelände gewonnen hatte. Wie es dann im Gym weiterging, erfahrt ihr in meiner nächsten Kolumne.
Sarah Liegmann
Sarah Liegmann wurde am 26. Januar 2002 in Bonn geboren. Die Federgewichtlerin boxt seit 2021 als Profi, trainiert und lebt in Deutschland und in den USA. Liegmann alias „The Princess“ ist amtierende WBC-Junioren-Championesse. Zudem sicherte sich die frühere Kickboxerin den WM-Gürtel des Verbandes WBF.
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