Bevor ich loslege: Ich freue mich sehr, dass du hier bist, um meine Kolumne zu lesen. Es wird chaotisch, lustig, aber hauptsächlich 100 Prozent echt. Ich werde von vielen Anekdoten und Erfahrungen aus dem Boxen berichten, aber dir auch spannende Insights in meinen alltäglichen Wahnsinn geben. Und jetzt heißt es: Ring frei!
Am 15. November wird Jake Paul das bekommen, was er seit seiner Zeit als Profiboxer anstrebt: einen umstrittenen Kampf gegen die Schwergewichtslegende Mike Tyson. Umstritten, wie ich finde, zu Recht, denn der Altersunterschied zwischen den beiden (27 und 58 Jahre) beträgt 31 Jahre. Nach fast zwei Jahrzehnten im Ruhestand und einer beispiellosen Karriere mit 56 Profikämpfen (50 Siege, davon 44 durch K.O.) ist es schwer zu verstehen, warum Mike es sich antut, gegen einen „vorlauten“ Youtuber in den Ring zu steigen. Geld? Aufmerksamkeit? Oder ist es wirklich das Boxerherz in ihm, das zu ihm spricht und sagt: ‚Lass es uns noch einmal tun!‘
Man kann von ihm halten was man will, aber Jake Paul liebt und lebt diesen Sport. Natürlich führt er jedem einzelnem Boxer vor Augen, dass alles möglich ist, wenn das Budget keine Rolle spielt. Dennoch tut er auch viel für den Sport. Mit 27 Millionen Followern hat Jake eine unglaublich große Reichweite an Fans, denen er den Boxsport näher bringt. Menschen, die noch nie in ihrem Leben mit Boxen in Berührung gekommen sind, sitzen jetzt vor dem Fernseher. Ob sie eine Ahnung davon haben, was genau im Ring passiert oder nicht, spielt keine Rolle – die Einschaltquoten werden erreicht und das ist es, was zählt. Allein wegen der Reichweite wurde erstmals ein Vertrag mit Netflix abgeschlossen. Die gesamte Fightcard wird live aus dem gigantischen und hochmodernen AT&T Stadium in Dallas (Heimat des lokalen NFL Clubs Dallas Cowboys „Americas Team“) übertragen.
Liegmann: „Große Paydays dank Paul”
Zusätzlich unterstützt Jake andere Athleten nicht nur, indem er sie bei den Events von Most Valubale Promotions auf die Undercards setzt, sondern auch finanziell. Gerade Amanda Serrano hat hier die richtig großen Paydays, nur dank Paul’s Unterstützung. Ich selbst stehe Jake neutral gegenüber. Er ist und bleibt das reiche „Internet Kid“, das glaubt, sich alles kaufen zu können. Trotzdem hat er meinen Respekt, weil er seine Vorbereitung sehr ernst nimmt und sich von Kampf zu Kampf positiv entwickelt. Ob er gegen Iron Mike eine Chance hat? Wir sollten uns alle noch einmal den Altersunterschied vor Augen halten – rein konditionell sollte Jake einen klaren Vorteil haben.
Rational gesehen können wir zunächst einmal nicht davon ausgehen, den Mike Tyson im Ring zu sehen, wie einst zu seiner Prime Time. Das ist in diesem Alter rein physisch nicht möglich. Dennoch verliert ein so erfahrener Sportler nicht an Erfahrung. Was seinen Ring-IQ und seine Signature-Technik angeht, kommt Jake nicht annähernd an ihn heran. Er kann sich zwar die beste Trainingsvorbereitung leisten, aber an Erfahrung kann Jake dadurch nicht gewinnen.
Die einzige Chance, die Jake hat, ist über die Ausdauer zu gewinnen. Ansonsten sehe ich schwarz für ihn, solange alles sauber abläuft. Ich will niemandem etwas unterstellen, aber ich habe bei solchen Kämpfen immer ein ungutes Gefühl, inwieweit gewisse Ausgänge schon vorher abgesprochen waren. Ich wäre nicht überrascht, wenn es ein Unentschieden geben würde. Keiner von beiden hätte verloren, Mike hätte seine Legacy aufrechterhalten und Jake hätte die Anerkennung bekommen, die er von Anfang an wollte. Was die Kritiker am Ende sagen, wird für viele keine Rolle spielen, denn was am Ende zählt, ist das Endergebnis, das in der Rangliste steht.
Sarah Liegmann
Sarah Liegmann wurde am 26. Januar 2002 in Bonn geboren. Die Federgewichtlerin boxt seit 2021 als Profi, trainiert und lebt in Deutschland und in den USA. Liegmann alias „The Princess“ ist amtierende WBC-Junioren-Championesse. Zudem sicherte sich die frühere Kickboxerin den WM-Gürtel des Verbandes WBF.
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