Vincenzo Gualtieri steht vor seinem größten Kampf, boxt am 1. Juli gegen Esquiva Falcao um die vakante Mittelgewichts-WM der IBF. Im zweiten Teil des BOXSPORT-Interviews spricht der AGON-Fighter über die bevorstehende Aufgabe, seinen Gegner und Perspektiven für die Zukunft.
Hier geht es zum ersten Teil des Interviews
Rocky wurde 1988 erstmals Weltmeister, bei der IBF im Supermittelgewicht. Ist es dir ein persönliches Anliegen, es ihm gleichzutun?
Ich bestreite jeden Kampf ein Stück weit, um ihm nachzueifern, ihn zu ehren. Das spielt jetzt bei meinem WM-Kampf auch eine Rolle, vielleicht sogar noch etwas mehr als bisher, ganz klar.
Hand aufs Herz: Wie sehr hast du während des Purse Bid die Daumen gedrückt, dass es gelingt, den Kampf nach Deutschland zu holen?
Die Daumen gedrückt habe ich nicht. Mir war es ehrlich gesagt egal, wo ich boxen werde. Da habe ich mir überhaupt keinen Kopf gemacht. Ich bin so konzentriert, so fokussiert, diesen Kampf zu gewinnen – ganz egal, wo er stattfindet.
Hat es keine besondere Bedeutung für dich, dass der WM-Kampf gegen Esquiva Falcao in deiner Heimatstadt stattfindet?
Nein, nein. Eine besondere Bedeutung hat es natürlich. Schließlich ist Wuppertal meine Heimatstadt, hier bin ich geboren und aufgewachsen. Tatsächlich ist das etwas Besonderes für mich und ich freue mich riesig auf den Kampf.
Setzt der Heimvorteil bei dir zusätzliche Kräfte frei?
Natürlich. Meine Freunde, meine Verwandten werden alle vor Ort sein. Das motiviert mich zusätzlich und holt vielleicht noch ein paar Prozent mehr aus mir heraus.
Befürchtest du, dass dich die Kulisse oder du selbst zu sehr unter Druck setzen könnten?
Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe ja meinen letzten Kampf auch in Wuppertal absolviert. Von daher weiß ich, was da auf mich zukommt. Ich gehe fest davon aus, dass ich die Stimmung und das ganze Drumherum positiv aufnehmen kann und mit der ganzen Unterstützung in der Halle eine gute Leistung zeigen werde.
Die Alternative zu Wuppertal wäre wahrscheinlich Las Vegas gewesen. Viele Boxer träumen davon, einmal einen Kampf im Box-Mekka zu bestreiten. Du auch?
Auf jeden Fall. Wenn ich den Titel gewonnen habe, könnten wir dort ja vielleicht eine Verteidigung machen.
Man sollte immer wachsam sein und zusehen, dass man immer eine Hand mehr drinnen hat.
Vincenzo Gualtieri
Wie läuft die Vorbereitung bislang, und was habt Ihr bis zum 1. Juli noch geplant?
Wir sind schon länger in der Vorbereitung, haben viel in den Bereichen Technik, Kraft und Kondition gemacht. Das perfektionieren wir jetzt im Höhentrainingslager. Und wenn wir dann zurück im AGON-Trainingscamp auf Mallorca sind, beginnt die Sparring-Phase. Unser Team hat da schon einige Boxer eingeladen, die wie Falcao in der Rechtsauslage boxen und einen ähnlichen Boxstil haben wie er. Darunter auch Leute, die schon einmal gegen ihn geboxt haben. Deshalb denke ich, sind wir hier gut aufgestellt.
Wie gut kennst du deinen Gegner Esquiva Falcao? Ab welchem Punkt der Vorbereitung beginnst du, dich mit deinem Gegner zu beschäftigen?
Wir haben uns den Gegner auf Video angeschaut, ihn analysiert und unsere Erkenntnisse daraus gezogen. Nach denen trainieren wir jetzt. Dass er Rechtsausleger ist, macht dabei keinen Unterschied. Ich habe bereits viele Male gegen Rechtsausleger geboxt, speziell zu Amateurzeiten. Ich werde dementsprechend gut vorbereitet sein – am Ende hat er auch nur zwei Hände.
Falcao ist hier ein unbeschriebenes Blatt. Kannst du uns etwas über seine Stärken und Schwächen verraten?
Grundsätzlich würde ich sagen, dass er eine gute Führungshand besitzt. Aber wir haben festgestellt, dass meine besser ist. Unter dem Strich werde ich mit meinen Waffen seine Waffen schlagen. Aber natürlich darf man einen Gegner nie unterschätzen, erst recht nicht in einem WM-Kampf. Er ist nicht umsonst in 30 Kämpfen ungeschlagen. Aber noch mal: Wer der Beste sein will, muss die Besten schlagen. Von daher gehe ich optimistisch in den Kampf. Trotzdem sollte man immer wachsam sein und zusehen, dass man immer eine Hand mehr drinnen hat.
Bei einem Sieg am 1. Juli wärst du der erste deutsche Weltmeister im Mittelgewicht seit Felix Sturm 2014. Bedeutet dir das etwas?
Ich wäre schon stolz, wenn ich der Nächste wäre, der den Titel in dieser Gewichtsklasse holt. Felix Sturm ist einer der besten Boxer, die wir je in Deutschland hatten. Aber leider macht er sich durch seine letzten Kämpfe, die allesamt nicht überzeugend waren, seinen guten Ruf kaputt. Ich finde das sehr schade.
Da ist herauszuhören, dass du das anders machen würdest. Was sind deine sportlichen Ziele, die du noch erreichen willst?
Ich wünsche mir, dass ich rechtzeitig merke, wann es Zeit ist aufzuhören. Aber das ist im Moment kein Thema. Meine kurzfristigen Ziele sind es, jetzt erst einmal den WM-Titel zu gewinnen und ihn danach ein paar Mal zu verteidigen. Dann wird man sehen, was kommt, welche Perspektiven sich dann ergeben.
Ein Kampf gegen Felix Sturm gehört nicht dazu, nehme ich an?
(lacht) Nein, nein, auf keinen Fall!
Interview: Andreas Ohlberger