Bevor ich loslege: Ich freue mich sehr, dass du hier bist, um meine Kolumne zu lesen. Es wird chaotisch, lustig, aber hauptsächlich 100 Prozent echt. Ich werde von vielen Anekdoten und Erfahrungen aus dem Boxen berichten, aber dir auch spannende Insights in meinen alltäglichen Wahnsinn geben. Und jetzt heißt es: Ring frei!
Vollzeit-Studium, Boxkarriere, Personal-Training, Familie und Freunde – manchmal wünschte ich mir, ein Tag hätte ein paar Stündchen mehr. „Wie bekommst du das alles unter einen Hut?“ – diese Frage habe ich sicherlich schon hunderte Male beantwortet und um ehrlich zu sein ist es nur eine Frage des Mindsets, des eigenen Willens und des Zeitmanagements.
Mein Psychologiestudium gehört neben dem Boxen zu meiner Leidenschaft. Die menschliche Psyche hat mich schon immer fasziniert. Auch als meine Eltern mir nach dem Abitur davon abgeraten haben, mir neben dem Boxen so viel Stress ins Haus zu holen, konnte ich – dickköpfig wie ich bin – nicht aufhören, mir vorzustellen, irgendwann Psychotherapeutin zu werden. Neben dem Traum von einer erfolgreichen Profi-Boxkarriere komme ich ehrlicherweise oft an meine Grenzen – aber „Where´s a will there´s a way“.
Das Wintersemester 2023/2024 hat für mich Anfang Oktober begonnen. Hierbei muss ich gestehen, dass ich die ersten Wochen nur körperlich anwesend war, da ich gerade aus dem Camp in den USA kam und mich noch den Rest der Zeit in Deutschland bis zum 27.10. auf meine WBC-Youth-WM vorbereitet habe. Eine Vorbereitung neben den Vorlesungen bedeutet für mich vor der Uni eine Kraft und/oder Konditionseinheit. Nach der Uni geht es dann zum Boxtraining. Am Abend gebe ich oft noch nebenbei Personal-Training. Zu solchen Zeiten bin ich in der Regel nicht vor 21 Uhr zu Hause. Nach meinen Kämpfen nutze ich die Zeit immer sofort und treffe mich so häufig wie möglich mit meinen Freunden, die leider über die Jahre unter den Camps und Klausurenphasen gelitten haben. Aber auch dafür bin ich dankbar, denn auf diesem Weg konnte ich schon mit jungen Jahren aussortieren, wer wirklich zu meinem engsten Kreis gehört und Verständnis für mein Leben hat.
Studium und Profisport – ein Balanceakt
Ab November ging es für mich dann langsam wieder mit der Klausurvorbereitung los. Die erste Klausurenphase des Wintersemesters startet zwar immer erst Ende Januar, allerdings fange ich aufgrund meiner vollen Tage immer sehr früh an zu lernen, damit am Ende nicht alles über mir zusammenbricht. Bevor ich am 07. Februar 2024 wieder zurück in die USA zur WBF-WM-Kampfvorbereitung geflogen bin, habe ich am 02. und 06. Februar so ziemlich die schlimmsten Klausuren erfolgreich hinter mich gebracht, allerdings standen zu diesem Zeitpunkt noch drei weitere Arbeiten in der 2. Klausurenphase an.
Während des Camps habe ich mich nebenbei weiterhin auf Prüfungen vorbereitet. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie anstrengend es manchmal war, sich zwischen zwei Trainingseinheiten mittags hinzusetzen und zu lernen, anstatt zu schlafen oder generell einfach nur zu entspannen. Aus diesem Grund fiel die ein oder andere Lerneinheit ehrlicherweise auch mal aus oder wurde verkürzt. Aber die Müdigkeit, die täglich nach dem morgendlichen Boxtraining über mich gekommen ist, konnte manchmal nur mit einem Mittagsschlaf gestillt werden.
Der nächste Kampf war für den 23. März angesetzt. In der Fightweek standen vor meinem WM-Kampf zwei Klausuren an, die dritte habe ich dann zwei Tage nach meinem Kampf geschrieben. Selbst morgens vor dem Kampf wiederholte ich noch ein bisschen Stoff. Viele nennen es verrückt, für mich ist es mittlerweile ganz normal. Jedoch gibt es auch Momente, wo die Leidenschaft tatsächlich „Leiden schafft“. Trotzdem ist die Zeit des Studiums absehbar und bald geschafft. Wenn es mal viel zu stressig wird, habe ich immer noch die Möglichkeit, ein Semester auszusetzen. Jetzt, wo ich erst mal alles hinter mir habe, gilt es die Akkus aufzutanken, um in die nächsten Vorbereitungen (Boxen und Studium) starten zu können – denn nach dem Kampf ist bekanntlich vor dem Kampf.
Sarah Liegmann
Sarah Liegmann wurde am 26. Januar 2002 in Bonn geboren. Die Federgewichtlerin boxt seit 2021 als Profi, trainiert und lebt in Deutschland und in den USA. Liegmann alias „The Princess“ ist amtierende WBC-Junioren-Championesse. Zudem sicherte sich die frühere Kickboxerin den WM-Gürtel des Verbandes WBF.
Webseite: princess-boxing.de
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