World Boxing: Kampf um Olympia

Während das IOC unmissverständliche Forderungen stellt, spricht der verbannte Welt-Boxverband IBA von Diskriminierung. Derweil wächst die Zuversicht bei World Boxing auf baldige Anerkennung durch den olympischen Spitzenverband.

Beim Kongress in den USA vermeldete World Boxing den Zugang weiterer Boxverbände, darunter auch „Schwergewicht“ Usbekistan, hier mit Olympiasieger Bakhodir Jalolov (r.). (Foto: IMAGO / ZUMA Press)

Es ist ein riskantes Spiel ­– und die Gretchenfrage lautet: Wird Boxen olympisch bleiben? Etwa bei den Sommerspielen 2028 in Los Angeles in den USA? Sicher ist das nicht. Denn bislang steht der klassische Faustkampf nicht im (vorläufigen) Programm des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Fest steht hingegen: Das IOC wird nicht mehr wie 2021 in Tokio und 2024 in Paris das olympische Boxturnier austragen. Keine weitere Interimslösung also.

Und das IOC hat unlängst den Druck erhöht, deutlich sogar. Mittels Rundschreiben vom 30. September an die Nationalen Olympischen Komitees (NOC). Kernsatz des „blauen Briefs“: „Die NOCs dürfen sich nicht mehr nationalen Boxverbänden anschließen, die noch der International Boxing Association (IBA) angehören und auch keine institutionellen Beziehungen zu diesen unterhalten.“ Das dürfte gleichfalls Doppelmitgliedschaften betreffen. Übersetzt: Das IOC fordert die NOCs auf, alle Kontakte zur IBA zu kappen. Ultimativ. Wer das unterlässt, fliegt. Aus der olympischen Familie, aus dem olympischen Boxturnier.

Neue Eskalationsstufe

Damit ist eine neue Eskalationsstufe gezündet, im Clinch IOC versus IBA. Einem, der seit Jahren anhält. Das IOC hatte die IBA bzw. vormalige AIBA 2019 wegen Manipulations-, Korruptions- und Intransparenz-Vorwürfen suspendiert, 2023 ausgeschlossen. Daraufhin haben einzelne nationale Boxverbände im April 2023 die Organisation World Boxing (WB) gegründet und im November den ersten Kongress in Frankfurt am Main abgehalten. Zu den Gründungsmitgliedern zählt auch der Deutsche Boxsport Verband (DBV). Ziel von WB ist es, die Nachfolgeschaft der IBA als internationaler Dachverband des olympischen Boxens anzutreten und künftig die Wettkämpfe bei Olympia auszurichten.

Niederlage vor Gericht

Der Zoff ging durch die Instanzen. Rechtsbeistände des geschassten IBA riefen den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne wegen des Ausschlusses durch das IOC an. Erfolglos. Der CAS bestätigte im April den IOC-Beschluss. Alles rechtmäßig. Und auch letztinstanzlich unterlag der Skandal-Verband im September vor dem Schweizer Bundesgericht. Damit sind alle Rechtsmittel ausgeschöpft. Olympia ist passé; jedenfalls für die IBA.

Einfach klein beigeben will Umar Kremlev nicht. Erwartbar, ist er doch IBA-Präsident seit Dezember 2020. „Die olympische Bewegung ist mehr als nur das IOC“, betont der russische Sportfunktionär auf BOXSPORT-Nachfrage. Hinzu komme: Das IOC versuche, seine Macht zu nutzen, um die IBA mit ihren knapp 200 Mitgliedern zu zerstören.

Kremlev rügt IOC

Was ist mit dem „blauen Brief“? Kremlev: „Das IOC mischt sich in Angelegenheiten unabhängiger Sportverbände ein.“ Inakzeptabel. Jene sollten eigenständig entscheiden, was das Beste für ihre Athleten sei. Kremlev rügt besonders, dass die Ringfighter „wegen politischer Agenden diskriminiert“ würden. Dem IBA-Boss wird eine Nähe zu Kreml-Chef Wladimir Putin nachgesagt, ferner ist das IBA-Sponsoring durch Gazprom ein Politikum.

IBA-Boss Umar Kremlev (oben) markiert gern den starken Mann und schießt gegen die Vorgaben des IOC. (Foto: IMAGO / Alexander Ryumin)

Dabei gebe es, meint Kremlev, keine Alternative zur IBA. Weshalb nicht? Man verfüge über ein erstklassiges Veranstaltungsportfolio, ein hohes Wettbewerbsniveau sowie ein finanzielles Unterstützungsprogramm für nationale Verbände. Und nicht zuletzt habe die IBA eine „Brücke zwischen Amateur- und Profiboxen geschlagen“, um den Sport optimal zu entwickeln. Kurzum, die IBA sei die „Hüterin des Boxens“. Niemand sonst sei in der Lage, eine derart aufwendige internationale Verbandsarbeit zu organisieren. Kremlev selbstbewusst: „Wir tun, was richtig ist – nicht, was einfach ist.“ Und Word Boxing? Der Verband habe keine großen Events, nur „umbenannte“ Veranstaltungen seiner Mitglieder, meint Kremlev. Das Wettkampfvolumen sei unter dem Strich unzureichend, darunter litten die Athleten.

World Boxing wächst

Aussagen, die Boris van der Vorst unbeeindruckt lassen. Das IOC habe die IBA ausgeschlossen und allen nationalen Verbänden klargemacht, „dass Boxen nur dann wieder in das Programm von Los Angeles 2028 aufgenommen wird, wenn es einen vertrauenswürdigen und zuverlässigen internationalen Verband hat“, sagt der niederländische WB-Präsident zu BOXSPORT. Einen, mit dem das IOC zusammenarbeiten könne und der national unterstützt werde. „WB ist ein solcher.“

Zumal WB binnen eines Jahres rasant gewachsen ist. Ein Wachstum, das van der Vorst im vorab veröffentlichten Report zum zweiten Verbandskongress am 3. November in Colorado Springs (USA) herausstreicht. Aktuell hat WB 55 Mitglieder auf allen Kontinenten, zuletzt waren Usbekistan und Kasachstan als „Box-Schwergewichte“ WB beigetreten. Das bedeute einen „großen Auftrieb“ und werde „die Präsenz in Asien erheblich verstärken“, betont van der Vorst gegenüber BOXSPORT. Ferner wird der Wettkampfkalender voller. Das Highlight: Die Weltmeisterschaft der Männer und Frauen im September 2025 in Liverpool, ein Meilenstein für den neuen internationalen Verband.

„Sind auf dem besten Weg“

Aber: Boxen bei Olympia, wie sieht es aus? Fakt ist: Die Fünf-Ringe-Organisation hat für die Spiele 2028 eine Deadline bis Anfang 2025 gesetzt. Bis dahin muss ein solider, handlungsfähiger Weltverband existieren. WB hat bereits im Mai Beziehungen zum IOC aufgenommen. Zudem besteht seit kurzem eine Olympische Kommission unter dem Vorsitz des kasachischen Ex-Weltmeisters und Olympia-Silbermedaillengewinners Gennady „Triple G“ Golovkin. Alles in allem, „wir sind auf dem besten Weg, Anfang 2025 die vorläufige Anerkennung durch das IOC zu erhalten“, erwartet van der Vorst laut Kongress-Report. Sollte es so kommen, wird die Gretchenfrage beantwortet sein: Boxen bleibt olympisch.

Text: Oliver Rast