In der „Königsklasse“ herrscht mächtig Bewegung! BOXSPORT sprach mit Experte Bernd Bönte über Joshuas jüngste K.o.-Pleite gegen Dubois, das bevorstehende Rematch Usyk vs. Fury – und über die Chancen des deutschen WM-Herausforderers Agit Kabayel.
Bernd, hat dich der Ausgang des Duells Dubois vs. Joshua überrascht?
Er hat mich sehr überrascht, denn ich hatte Anthony zuvor als Sieger getippt und auch gedacht, dass er den Fight vorzeitig für sich entscheiden kann.
Hattest du Daniel Dubois in diesem Fight so stark erwartet?
Dubois ist ein sehr harter Puncher, das hat man bereits bei den letzten vorzeitigen Siegen gegen Jarrell Miller und vor allem gegen Filip Hrgovic gesehen. Daniel hat sich, seit er vor dem Kampf gegen Usyk mit Don Charles zusammenarbeitet, deutlich weiterentwickelt. Gegen „AJ“ hat er wieder einen Sprung gemacht und Fehler, die er noch gegen Hrgovic machte, abgestellt.
„Bei Joshua kam das Deja-vu wieder durch“
Was lief bei Anthony Joshua in diesem Kampf falsch?
Grundsätzlich hat Joshua deutlich zu überhastet und zu unvorsichtig agiert. Er hat seinen Jab, wenn er ihn geschlagen hat, fallen lassen, war somit ständig offen für Dubois’ Schlaghand, und auch die Rechte von AJ hing meist viel zu tief unten. Seine gesamte Deckung war gegen einen Puncher wie Dubois viel zu löchrig. Joshua hätte den Kampf in Ruhe hinter einer sicheren Deckung aufbauen und versuchen sollen, die ersten Runden gut zu überstehen, um dann langsam den Fight zu dominieren. Aber schon nach dem ersten harten Treffer Dubois’ wurde AJ merklich nervös und verlor seine Linie komplett. Da kam das Deja-vu der Fights und harten Treffer gegen Wladimir und Ruiz wieder durch.
Oleksandr Usyk hat bereits Gedanken zu einem möglichen Karriereende geäußert. Müssen wir nach dem 21. Dezember mit seinem Rücktritt rechnen?
Das ist schwer zu sagen. Gewinnt Usyk gegen Fury erneut, reizt ihn vielleicht noch mal ein Vereinigungskampf gegen Dubois, um dann als Undisputed Champion abzutreten. Und das ist ein Fight, den auch Daniel sehr gerne machen würde. Die Fans würden sicherlich einen anderen Dubois im Ring sehen als bei der K.o.-Niederlage gegen Usyk im August 2023. Ich war damals in Wroclaw live dabei und kann sagen, dass Dubois in diesem Duell durchaus seine Runden und Phasen hatte, in denen er sehr gut aussah. Jedenfalls ist da noch eine Rechnung offen aus Daniels Sicht.
Und womit rechnest du, wenn Fury gegen Usyk gewinnt?
Dann gibt es drei Möglichkeiten: Entweder bestreitet Fury ein drittes Match gegen Usyk. Oder Fury kämpft gegen Joshua, was sicherlich trotz der Niederlage Joshuas der lukrativste Fight wäre. Denkbar wäre aber auch ein stallinternes Duell gegen IBF-Champ Daniel Dubois, das wäre dann wieder ein Undisputed-Fight.
Sollte Oleksandr Usyk das Rematch gegen Fury gewinnen und tatsächlich zurücktreten, werden die WM-Gürtel der Verbände WBC, WBO und WBA vakant. Sollten dann auch die Chancen von Agit Kabayel auf einen Titelkampf steigen?
Definitiv, denn Agit hat beim WBC den Final-Eliminator gegen Frank Sanchez gewonnen und muss laut Satzung diesen Kampf auch bekommen.
„Viele haben Agit unterschätzt“
Aktuell belegt Fury Platz eins, Kabayel Platz zwei im WBC-Ranking. Wäre dann ein Duell um die vakante Krone gegen den „Gypsy King“ der bestmögliche Fight für Kabayel?
Die Rangliste ist nur eine Momentaufnahme, Fury kämpft ja erst mal gegen Usyk. Aber eigentlich ist es vollkommen egal, gegen wen Agit boxt – Hauptsache, er bekommt diesen WM-Kampf. Ich bin überzeugt, dass er immer eine gute Chance hat. Viele haben Agit unterschätzt, doch er hat allen gezeigt, welches Potenzial er besitzt. Hoffen wir, dass er in der ersten Jahreshälfte 2025 endlich seinen Titelfight bekommt.
Wenn du Kabayels Manager wärst, zu welchem Schritt würdest du ihm als nächsten raten?
Wenn er wie beim letzten Mal das Angebot bekommt, wieder auf der Undercard bei Usyk vs. Fury II gegen einen Top-Gegner zu boxen, wäre das eine Überlegung wert. Dafür sollte er natürlich eine sehr hohe Börse erhalten, denn er setzt ja seinen Status als Pflichtherausforderer aufs Spiel. Sollte das nicht passen, würde ich an seiner Stelle einen Stay-busy-Fight bestreiten und warten, bis dieser Titelkampf als Mandatory für ihn vom Verband terminiert wird. …
Interview: Frank Schwantes